Drohende Hinrichtung

Demonstration gegen die Todesstrafe in Iran

Demonstration gegen die Todesstrafe in Iran

Der Kurde Saman Naseem könnte jederzeit im Iran hingerichtet werden. Er war wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an bewaffneten Angriffen gegen staatliche Stellen und der Tötung eines Angehörigen der Revolutionsgarden zum Tode verurteilt worden. Zum Tatzeitpunkt war er noch minderjährig.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

KOPIEN AN
PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street
Pasteur Square
Tehran
IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch)
@Rouhani_ir (Persisch)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 31. Oktober 2014 ankommen. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

E-MAILS, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die Hinrichtung von Saman Naseem zu stoppen und unverzüglich ein Wiederaufnahmeverfahren anzuordnen, das den internationalen Standards für faire Verfahren entspricht und in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist, welche die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre alt waren, ausdrücklich verbieten.

  • Bitte untersuchen Sie die erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe und stellen Sie sicher, dass durch Folter erzwungene "Geständnisse" nicht als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Iranian authorities to halt the execution of Saman Naseem immediately and order a retrial in proceedings which comply with fair trial standards, without recourse to the death penalty.

  • Reminding them that executing anyone for crimes committed while they were under 18 is strictly prohibited by the International Covenant on Civil and Political Rights and the Convention on the Rights of the Child, both of which Iran has ratified.

  • Urging them to investigate the allegations that he was tortured or otherwise ill-treated and ensure that "confessions" obtained under torture are not used as evidence in court.

Sachlage

Der 21-jährige Saman Naseem gehört der kurdischen Minderheit im Iran an. Er war im April 2013 von einem Strafgericht in Mahabad in der Provinz West-Aserbaidschan wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) und "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt worden. Grund waren seine Mitgliedschaft in der bewaffneten kurdischen Oppositionsgruppe "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan" (PJAK) und seine Teilnahme an bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Revolutionsgarden. Das gegen ihn verhängte Todesurteil wurde im Dezember 2013 durch den Obersten Gerichtshof des Iran bestätigt und ist nun an die Behörde zur Vollstreckung von Strafen weitergeleitet worden.

Saman Naseem war ursprünglich im Januar 2012 vor dem Revolutionsgericht in Mahabad zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil wurde jedoch im August 2012 durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben und sein Fall für eine Neuverhandlung an ein vorinstanzliches Gericht übergeben, da er zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Taten noch minderjährig, d. h. noch keine 18 Jahre alt war. Aus der Gerichtsakte geht hervor, dass Saman Naseem zu Beginn der Ermittlungen zugegeben haben soll, im Juli 2011 Schüsse in die Richtung der Revolutionsgarden abgegeben zu haben. Diese Aussage zog er allerdings in der ersten gerichtlichen Anhörung zurück und sagte stattdessen, er habe nur in die Luft geschossen. Zudem gab er an, sich des Inhalts der schriftlichen "Geständnisse" nicht bewusst gewesen zu sein, die er unter Zwang unterzeichnet hatte, da ihm während des gesamten Verhörs die Augen verbunden gewesen seien. Saman Naseem hatte zu Beginn der Ermittlungen keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand. Außerdem soll er gefoltert und anderweitig misshandelt worden sein.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe ausnahmslos ab, unabhängig von der Art oder den Umständen der Straftat, der Schuld, Unschuld oder anderen Eigenschaften der Straftäter_innen und der angewendeten Hinrichtungsart. Sie verstößt gegen das Recht auf Leben, das durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert wird, und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Form von Strafe dar.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Saman Naseem wurde am 17. Juli 2011 im Zuge einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den iranischen Revolutionsgarden und der PJAK in Sardasht in der Provinz West-Aserbaidschan festgenommen. Aus der Gerichtsakte geht hervor, dass bei dieser Auseinandersetzung ein Angehöriger der Revolutionsgarden getötet und drei weitere verletzt wurden. Saman Naseem war bereits in einigen verschiedenen Hafteinrichtungen inhaftiert, so z. B. in Sardasht, Urmia und Mahabad. Derzeit befindet er sich im Zentralgefängnis von Urmia in Haft.

Das neue Islamische Strafgesetzbuch, das im Mai 2013 verabschiedet wurde, ermöglicht die Hinrichtung von zur Tatzeit Minderjährigen in Fällen von Mord nach dem Prinzip "Qesas" (Vergeltung) und "Hodoud" (Vergehen, für die nach islamischem Recht bestimmte Strafen vorgesehen sind). Im Fall von zur Tatzeit Minderjährigen schließt Artikel 91 die Todesstrafe bei "Qesas" oder "Hodoud" jedoch aus, wenn der oder die Jugendliche die Art der Straftat oder die Konsequenzen nicht begreift oder Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit der Person bestehen.

Die Hinrichtung von zur Tatzeit minderjährigen – d. h. unter 18-jährigen – Straftäter_innen ist nach dem Völkerrecht verboten. In Artikel 6(5) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und in Artikel 37 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist festgelegt, dass niemand für einen Mord hingerichtet werden darf, den er vor Vollendung des 18. Lebensjahrs begangen hat. Der Iran ist Vertragsstaat beider Abkommen.

Artikel 37(d) und 40(20)(b)(ii) des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes schreiben fest, dass Kinder, denen ihre Freiheit entzogen wurde oder denen Straftaten vorgeworfen werden, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem Rechtsbeistand bzw. anderen geeigneten Beistand haben, um ihre Verteidigung vorbereiten und präsentieren zu können. Das Kindeswohl muss bei allen Gerichtsverfahren, die Kinder betreffen, die zentrale Entscheidungsgrundlage darstellen. Dies bedeutet, dass insbesondere das Recht des Kindes, nicht zu Schuldeingeständnissen oder selbstbelastenden Aussagen gezwungen zu werden, gewahrt werden muss. Das Verbot von Zwang und Nötigung legt der UN-Ausschuss über die Rechte des Kindes breit aus. Nicht nur direkte Gewalt und klare Menschenrechtsverletzungen, sondern auch Alter, Entwicklungsstand, Freiheitsentzug, fehlendes Verständnis, Angst vor unbekannten Konsequenzen oder versprochene geringere Bestrafungen bzw. eine in Aussicht gestellte Freilassung können Kinder demnach dazu bringen, ein falsches Geständnis abzulegen oder sich selbst zu beschuldigen.

Aufgrund der Unumkehrbarkeit der Todesstrafe ist es von grundlegender Bedeutung, dass in Gerichtsverfahren, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, alle relevanten internationalen Standards zur Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren gewissenhaft beachtet werden. Dazu gehört auch der Zugang zu kompetenten Verteidiger_innen in allen Phasen der strafrechtlichen Verfolgung, einschließlich während des Ermittlungsverfahrens.

Im Iran werden nach China weltweit die meisten Todesurteile vollstreckt. Nach offiziellen Angaben der iranischen Behörden bzw. staatlich kontrollierter Medien wurden 2013 insgesamt 369 Hinrichtungen vollzogen, nach anderen Quellen wurden jedoch noch mindestens 335 weitere Todesurteile vollstreckt. Somit läge die Zahl der Hinrichtungen im Jahr 2013 bei insgesamt mindestens 704. Berichte deuten darauf hin, dass mindestens elf der Hingerichteten zum Zeitpunkt der ihnen zur Last gelegten Tat unter 18 Jahre alt waren. Nach offiziellen Angaben sind in diesem Jahr (Stand 10. September 2014) 213 Menschen im Iran hingerichtet worden. Verlässlichen Quellen zufolge gab es dort jedoch in diesem Zeitraum mindestens 294 weitere Exekutionen.