Drohende Zwangsräumung

Der Gouverneur des nigerianischen Bundesstaates Kaduna hat mit dem Abriss zahlreicher Häuser in Gbagyi Villa gedroht. Mindestens 1.000 Häuser wurden bereits mit einem "X" als zum Abriss vorgesehen markiert. Tausenden Bewohner_innen droht die rechtswidrige Zwangsräumung.

Appell an

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES KADUNA
Mallam Ahmad Nasir El-Rufai
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Facebook: https://www.facebook.com/Mal-Nasir-El-Rufai-for-Governor-Kaduna-State-1419955288245609/?fref=ts
Twitter: @elrufai

GENERALDIREKTORIN DER BEHÖRDE FÜR STADTPLANUNG UND -ENTWICKLUNG DES BUNDESSTAATES KADUNA
Kaduna State Urban Planning and Development Agency
TPL. Saratu Musa Haruna
No.5 Ahmadu Bello Way
Kaduna, Kaduna State
NIGERIA
(Anrede: Dear Madam / Sehr geehrte Frau Haruna)

Sende eine Kopie an

LEITER DER NATIONALEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Professor Bem Angwe
National Secretariat
No.19, Aguiyi Ironsi Street Maitama
P.M.B. 444
Garki Abuja
NIGERIA

BOTSCHAFT DER BUNDESREPUBLIK NIGERIA
S.E. Herrn Abdu Usman Abubakar
Neue Jakobstraße 4
10179 Berlin
Fax: 030-2123 0164
E-Mail: info@nigeriaembassygermany.org

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 19. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS, FACEBOOK- ODER TWITTER-NACHRICHTEN MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die geplanten rechtswidrigen Zwangsräumungen in Gbagyi Villa zu stoppen und sicherzustellen, dass das Gerichtsverfahren weitergeführt werden kann.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass selbst dann, wenn eine Räumung gerechtfertigt ist, diese entsprechend der Verpflichtungen Nigerias unter internationalen Menschenrechtsabkommen nur dann vorgenommen wird, wenn verfahrenstechnische und rechtliche Schutzmaßnahmen geschaffen wurden. Dazu gehören auch eine wirkliche Konsultation, die rechtzeitige Ankündigung und die Bereitstellung angemessener Entschädigungsleistungen und alternativer Unterkünfte für diejenigen, die nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen können.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Nigerian authorities to immediately stop the planned forced eviction of residents of Gbagyi Villa and allow the court process to run its course.

  • Urging them, that in line with Nigeria's international human rights obligations, to ensure that even where an eviction is justified, it is carried out only after appropriate safeguards against forced evictions including genuine consultation, adequate notice; adequate compensation and alternative housing for those who cannot afford to provide for themselves, have been put in place.

Sachlage

Zwischen dem 4. November 2015 und dem 16. März 2016 hat die Behörde für Stadtplanung und -entwicklung des Bundesstaates Kaduna viermal Bewohner_innen von Gbagyi Villa über den anstehenden Abriss ihrer Häuser informiert. Sie erhielten eine Frist von 21 Tagen, um ihre Häuser zu verlassen. Amnesty International konnte diese Schreiben einsehen und hat vor Ort die Häuser gesehen, die mit einem "X" markiert wurden. Den Bewohner_innen zufolge wurden sie weder bezüglich der Abrisse konsultiert, noch zahlte man ihnen eine Entschädigung und / oder stellte alternative Unterkünfte zur Verfügung. Am 10. März reichten die Betroffenen Klage bei Gericht ein und erzielten eine einstweilige Verfügung, die es der Regierung untersagte, den Abriss fortzuführen, bis über den Fall entschieden wurde. Obwohl der Fall noch verhandelt wird, besuchte der Gouverneur des Bundesstaates Kaduna die Gemeinde am 21. Juli und erklärte öffentlich, dass die Häuser noch vor der Entscheidung des Gerichts abgerissen werden würden. Er gab an, die Häuser seinen auf Land gebaut worden, dass der Fachhochschule von Kaduna (Kaduna State Polytechnic) gehöre und es lägen weder Rechtstitel noch Baugenehmigungen vor.

In jedem der zum Abriss markierten Häuser wohnen durchschnittlich fünf Menschen. Sollte es tatsächlich zum Abriss kommen, würden also mindestens 5.000 Männer, Frauen und Kinder obdachlos und somit der Gefahr einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Viele der betroffenen Bewohner_innen sind die Ersteigentümer_innen der Grundstücke oder haben das Land von den Ersteigentümer_innen gekauft bzw. sind Mieter_innen oder Pächter_innen. Häufig verfügen sie jedoch nicht über die erforderlichen Urkunden, da diese schwer zu erhalten sind und viel Geld kosten. Viele von ihnen haben auf legale Weise Baugenehmigungen eingeholt oder für den Erhalt solcher Genehmigungen gezahlt. Dennoch wurden ihre Häuser markiert und sollen abgerissen werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nachdem ihnen mit dem Abriss ihrer Häuser gedroht wurde, reichten Bewohner_innen der Gemeinde Gbagyi Villa am 10. März 2016 Klage beim Hohen Gericht des Bundesstaates Kaduna ein (Joshua J. Nyam & 2.ors V The Governor of Kaduna State & 4 ors – KDH/KAD/218/2016). Am 7. April erließ das Gericht eine einstweilige Verfügung, die es der Regierung untersagte, die Häuser abzureißen, bis darüber entschieden wurde, ob das betroffene Land wirklich der Regierung gehört. Der Gouverneur von Kaduna besuchte am 21. Juli dennoch die Gemeinde und erklärte: "Diese Gebäude müssen weichen. (…) Wir werden jedem die Möglichkeit geben, zu beweisen, dass er oder sie Besitzansprüche und eine Baugenehmigung hat. Wenn ihr diese beiden Sachen nicht vorweisen könnt, findet das Gesetz Anwendung und wir werden die Gebäude abreißen. (…) Hier geht es um Straftaten, der Fall vor Gericht ist eine Angelegenheit des Zivilrechts. (…) Das sind zwei unterschiedliche Dinge."

Der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft von Gbagyi Villa, Chris Obodumu, und der Sariki Samari, der traditionelle Herrscher, sagten Amnesty International gegenüber, dass die Bewohner_innen nicht zu den geplanten Abrissarbeiten konsultiert wurden und ihnen weder alternative Unterkünfte noch Entschädigungsleistungen angeboten worden sind. In den Abrissanordnungen steht, die betroffenen Bewohner_innen hätten keine Genehmigungen von der Behörde für Stadtplanung und -entwicklung des Bundesstaates Kaduna eingeholt. Der Gouverneur behauptete zudem, dass die Gemeinde fast 70 Prozent des Landes eingenommen hätte, das der Fachhochschule von Kaduna gehört. Amnesty International hat Kopien der Baugenehmigungen und offizielle Quittungen gesehen, die von der Behörde für Stadtplanung und -entwicklung des Bundesstaates Kaduna für Zahlungen für das Verfahren zur Einholung von Baugenehmigungen an die Bauherr_innen einiger der vom Abriss bedrohten Häuser ausgestellt wurden.

Laut Chris Obodumu leben die Bewohner_innen von Gbagyi Villa schon seit Hunderten Jahren auf dem Land. Er sagte Amnesty International zudem, dass der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Kaduna, Patrick Yakowa, 2011 einen Ausschuss gegründet hatte, der die Landstreitigkeiten zwischen der Fachhochschule von Kaduna und Gbagyi Villa lösen sollte. Die verhandelten Bedingungen für die Streitbeilegung wurden in einer Diskussionsschrift und in einer Kartenskizze festgehalten, die vom Vermessungsingenieur des Bundesstaates angefertigt wurde. Darin wurde eine Zuteilung des Landes vorgesehen, die beiden Parteien zugute kam. Bewohner_innen von Gbagyi Villa sagten Amnesty International, dass die Fachhochschule nach der Streitbeilegung einen Zaun errichtet habe, um ihr Land von dem der Gemeinde abzutrennen. Die Bewohner_innen beharren darauf, dass sie diese vereinbarten Grenzen respektiert und das Land der Fachhochschule nicht vereinnahmt hätten.

Die Regierung des Bundesstaates Kaduna droht mit der Zwangsräumung mehrerer Gemeinden, in dem Bestreben, Grundstücke in Anspruch zu nehmen, die mutmaßlich staatlichen Institutionen gehören. Amnesty International hat in vier anderen Gemeinden dasselbe Vorgehen wie in Gbagyi Villa dokumentiert. Auch dort sind die Bewohner_innen von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht, es sind Fälle vor Gericht anhängig und es wurden einstweilige Verfügungen gegen die Regierung erlassen. Die Aussagen des Gouverneurs von Kaduna bezüglich der Gemeinde Gbagyi Villa lassen befürchten, dass gegen diese einstweiligen Verfügungen verstoßen und die anhängigen Gerichtsverfahren unbeachtet bleiben könnten.

Kapitel 2, Abschnitt 16 (2) (d) der nigerianischen Verfassung von 1999 fordert den Staat auf, für die Bereitstellung von angemessenen, adäquaten Unterkünften für alle Bürger_innen zu sorgen. Nigeria ist aufgrund einer Reihe von Menschenrechtsabkommen wie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der Afrikanischen Charta über Menschenrechte und Rechte der Völker dazu verpflichtet, rechtswidrige Zwangsräumungen zu unterlassen und ihre Bürger_innen davor zu schützen. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betont, dass Räumungen nur dann stattfinden dürfen, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft wurden und angemessene verfahrenstechnische und rechtliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Dazu gehören die wirkliche Konsultation der Betroffenen, die angemessene und rechtzeitige Ankündigung, angemessene alternative Unterkünfte und Entschädigung für alle Verluste. Die Regierung muss darüber hinaus sicherstellen, dass niemand obdachlos wird oder aufgrund der Räumung anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wird. Die Bestimmungen sind bei allen Räumungen einzuhalten, unabhängig vom Eigentumsstatus der Bewohner_innen.