Urteile bestätigt

Am 26. Oktober wurden die Urteile gegen Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk vor dem Obersten Gerichtshof Russlands bestätigt. Die beiden Ukrainer waren in einem unfairen Verfahren zu 20 bzw. 22 Jahren Haft verurteilt worden.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yuriy Yakovlevich Chaika
Prosecutor General’s Office
Ul. B. Dmitrovka, d.15a
125993 Moscow GSP- 3
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 987 58 41 oder
(00 7) 495 692 17 25

Sende eine Kopie an

OMBUDSFRAU FÜR MENSCHENRECHTE
Tatiana Nikolaevna Moskalkova
Ul.Miasnitskaia, 47
101000 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 607 7470 oder (007) 495 607 3977

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. Dezember 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte überprüfen Sie den Fall von Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk unter den Gesichtspunkten der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren.

  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass der Geisteszustand von Stanislav Klykh umfassend von einem unabhängigen Sachverständigen untersucht wird. Gewähren Sie ihm bei Bedarf die entsprechende medizinische Behandlung.

  • Veranlassen Sie bitte umgehend eine wirksame und unparteiische Untersuchung der von den beiden Männern erhobenen Foltervorwürfe.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Russian authorities to review the case against Stanislav Klykh and Mykola Karpyuk in line with fair trial standards.

  • Urging the authorities to ensure Stanislav Klykh is provided with a full mental healthcare assessment by an independent expert and that he is provided with adequate medical treatment as required.

  • Calling on them to carry out a prompt, effective and impartial investigation into the torture allegations by Stanislav Klykh and Mykola Karpyuk.

Sachlage

Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk wurden am 26. Mai 2016 in einem Gerichtsverfahren, das bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach, zu 20 bzw. 22 Jahren Haft verurteilt. Mykola Karpyuk wurde vorgeworfen, als Mitbegründer und Anführer einer Gruppe von Kämpfer_innen während des Tschetschenienkonflikts 1994 bis 1996 30 russische Soldat_innen getötet zu haben. Stanislav Klykh wurde die Mitgliedschaft in der Gruppe von Kämpfer_innen vorgeworfen. Die Vorwürfe basierten auf "Geständnissen", die unter Folter von den beiden Männern erzwungen worden waren, und auf der Aussage eines Zeugen, der ebenfalls wegen der mutmaßlichen Tötung russischer Soldat_innen in Tschetschenien verurteilt wurde. Nachweise darüber, dass Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Taten gar nicht in Tschetschenien gewesen sein konnten, wurden vor Gericht nicht zugelassen.

Im Berufungsverfahren legte die Verteidigung Beweise dafür vor, dass das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ihrer beiden Mandanten verletzt worden war und der Richter versucht hatte, unzulässigen Einfluss auf die Geschworenen auszuüben. Sie machten zudem geltend, dass gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen worden sei, weil die beiden Männer sich im Gerichtssaal in einem mit Gitterstäben abgetrennten Bereich aufhalten mussten. Diese in Russland gängige Praxis erweckt bereits vor Ausgang des Verfahrens den Anschein von Schuld. Die Nachweise zur Untermauerung der Alibis von Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk wurden im Berufungsverfahren zwar zugelassen, dennoch bestätigte das Gericht den Schuldspruch. Beide Männer hatten für mehrere Monate nach ihrer Inhaftierung keinen Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und geben an, dass man sie mit Folter zur Abgabe von "Geständnissen" gezwungen habe. Die Folter und anderweitigen Misshandlungen scheinen sich auf die geistige Gesundheit von Stanislav Klykh ausgewirkt zu haben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Stanislav Klykh gab gegenüber seiner Anwältin an, man habe ihm in den ersten Monaten nach seiner Festnahme mehrere Tage nichts zu essen und zu trinken gegeben und ihn gezwungen, im Hof auf Kies zu knien. Außerdem musste er bis zur Bewusstlosigkeit Wodka trinken und erhielt Psychopharmaka. Man hing ihn an Stangen in der Zelle auf und verabreichte ihm Elektroschocks. Zwischen August 2014 und September 2015 befand er sich in Einzelhaft und durfte keinen Besuch empfangen.

Die Folter und anderweitigen Misshandlungen haben sich auf die geistige Gesundheit von Stanislav Klykh ausgewirkt. Wohingegen er zuvor keinerlei psychische Erkrankungen aufgewiesen hatte, wirkte er während des Verfahrens, das im Oktober 2015 begann, psychisch schwer gestört. Er zog sich aus, stieß Beschimpfungen aus und hängte sich in dem Eisenkäfig, in dem die Angeklagten im Gerichtssaal festgehalten werden, kopfüber auf. Im November 2015 schnitt er sich selbst mit einer Klinge, um gegen die Weigerung der Behörden zu protestieren, eine medizinische Untersuchung zu veranlassen. In einer Anhörung am 17. Oktober, in der es um einen separaten Vorwurf wegen Beleidigung der Staatsanwaltschaft ging, erklärte Stanislav Klykh, sich nicht an sein Geburtsdatum zu erinnern und seine Verteidigung durch den russischen Popstar Stanislav Mikhailov ersetzen zu wollen. Alle Anträge auf eine unabhängige psychiatrische Untersuchung sind bisher zurückgewiesen worden, und amtliche Gerichtsmediziner_innen haben ihn für verhandlungsfähig erklärt.

Die von den beiden Männern erhobenen Foltervorwürfe sind bisher nicht untersucht worden.

Während des Verfahrens ordnete der Richter unter Angabe von willkürlichen Gründen an, dass den Rechtsbeiständen von Stanislav Klykh und Mykola Karpyuk die Lizenz entzogen werden solle. Diese Entscheidung wurde jedoch am 26. Oktober im Berufungsverfahren für nichtig erklärt.

Das Verfahren, in dem die beiden Männer schuldig gesprochen und verurteilt wurden, war stark politisiert. Augenzeugenberichten zufolge gehörten der zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens amtierende Ministerpräsident der Ukraine, Arsenij Jazenjuk, sowie einige weitere ukrainische Politiker_innen derselben Gruppe von Kämpfer_innen an. Der Prozess gegen Mykoloa Karpyuk und Stanislav Klykh gehört zu einer Reihe stark politisierter Verfahren, die in den beiden vergangenen Jahren in Russland gegen ukrainische Staatsangehörige geführt wurden. Im August 2015 wurden Oleg Senstsov und Aleksandr Kolchenko in einem unfairen Verfahren wegen Terrorismusvorwürfen zu langen Haftstrafen verurteilt (http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-170-2015-1/hohe-haftstrafen-nach-unfairem-gerichtsverfahren). Im März 2016 wurde Nadiya Savchenko zu mehr als 20 Jahren Haft verurteilt, weil sie während der Kämpfe in der ukrainischen Region Lugansk zwei russische Journalisten getötet haben soll (https://www.amnesty.org/en/documents/eur46/3710/2016/en/, in englischer Sprache). Nadiya Savchenko ist mittlerweile im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen worden und war am 26. Oktober in Moskau bei der Anhörung anwesend. All diese politisierten Verfahren haben große Bedenken hinsichtlich fairer Verfahren ausgelöst.