Todesurteil bestätigt

Im Durchschnitt wird in Saudi-Arabien alle zwei Tage ein Mensch hingerichtet

Im Durchschnitt wird in Saudi-Arabien alle zwei Tage ein Mensch hingerichtet

Das Todesurteil gegen den schiitischen Aktivisten Ali Mohammed Baqir al-Nimr ist bestätigt worden. Die Straftaten, zu denen er sich "bekannt" hat, soll er im Alter von 17 Jahren begangen haben. Er hat alle Rechtsmittel ausgeschöpft und könnte hingerichtet werden, sobald der König das Todesurteil unterzeichnet.

Appell an

KÖNIG UND PREMIERMINISTER
His Majesty Salman bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh
SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)
Twitter: @KingSalman

INNENMINISTER
His Royal Highness Prince Mohammed bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933
Airport Road, Riyadh 11134
SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 403 3125

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT DER MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Bandar Mohammed 'Abdullah al-Aiban

Human Rights Commission
PO Box 58889, Riyadh 11515

King Fahd Road

Building No. 3, Riyadh
SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 418 5101
E-Mail: info@hrc.gov.sa

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S. E. Herrn Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. Oktober 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, das Todesurteil gegen Ali Mohammed Baqir al-Nimr aufzuheben. Bitte stellen Sie sicher, dass er ein faires Gerichtsverfahren erhält, das dem Völkerrecht und internationalen Standards entspricht und die Todesstrafe ausschließt.

  • Ich möchte Sie bitten, eine unabhängige Untersuchung seiner Vorwürfe über Folter und anderweitige Misshandlungen einzuleiten.

  • Ich erinnere Sie hiermit an die Verpflichtungen Saudi-Arabiens als Vertragsstaat des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, das die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen untersagt, die zum Tatzeitpunkt jünger sind als 18 Jahre.

  • Bitte verfügen Sie umgehend ein offizielles Hinrichtungsmoratorium, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe in Saudi-Arabien.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to quash Ali Mohammed Baqir al-Nimr’s conviction and death sentence, and ensure that he receives a fair trial in line with international law and standards and without recourse to the death penalty.

  • Calling on them to open an independent investigation into his allegation of torture and other ill-treatment.

  • Reminding them that Saudi Arabia is a state party to the Convention on the Rights of the Child, which strictly prohibits the use of the death penalty for crimes committed by anyone below the age of 18.

  • Urging them to establish immediately an official moratorium on all executions with a view to abolishing the death penalty in Saudi Arabia.

Sachlage

Ali Mohammed Baqir al-Nimr wurde am 27. Mai 2014 vom Sonderstrafgericht in Dschidda zum Tode verurteilt. Er hatte sich einer Reihe von Straftaten für schuldig "bekannt", die er im Alter von 17 Jahren begangen haben soll. Das Urteil wurde nun von Richtern des Sonderstrafgerichts (Specialized Criminal Court – SCC) sowie vom Obersten Gerichtshof bestätigt, so die Familie des Verurteilten, die selbst erst kürzlich von den Entscheidungen der Gerichte erfahren hat. Der Fall wurde im August 2015 zur Urteilsvollstreckung an das Innenministerium weitergeleitet. Sobald der König das Urteil bestätigt hat, könnte Ali al-Nimr hingerichtet werden.

Zu den Ali al-Nimr vorgeworfenen Straftaten zählen "Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung", "Angriff auf die Sicherheitskräfte", "Besitz eines Maschinengewehrs" und "bewaffneter Raubüberfall". Das Urteil des Sonderstrafgerichts von 2014 scheint sich auf "Geständnisse" zu gründen, die laut Ali al-Nimr unter Folter und anderweitiger Misshandlung erlangt wurden. Das Gericht weigert sich jedoch, diese Vorwürfe zu untersuchen.

Ali al-Nimr wurde am 14. Februar 2012 im Alter von 17 Jahren festgenommen und in das Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes (General Directorate of Investigations – GDI) in Dammam in der Ostprovinz Saudi-Arabiens gebracht. Der Zugang zu seinem Rechtsbeistand wurde ihm verweigert und er soll von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert und anderweitig misshandelt worden sein, um ihn dazu zu zwingen, ein "Geständnis" zu unterzeichnen. Anschließend wurde er in ein Rehabilitationszentrum für Jugendliche, Dar al-Mulahaza, gebracht. Als er 18 Jahre alt wurde, verlegte man ihn zurück in das Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes in Dammam.

Ali al-Nimr ist der Neffe von Scheich Nimr Baqir al-Nimr, einem bekannten schiitischen Geistlichen aus al-Awamiyya in Qatif, im östlichen Saudi-Arabien, der am 15. Oktober 2014 vom Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt wurde.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Saudi-Arabien hat eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit: über 2.200 Menschen wurden zwischen 1985 und 2015 exekutiert. Allein zwischen Januar und Ende August 2015 wurden in Saudi-Arabien mindestens 130 Personen hingerichtet, nahezu die Hälfte von ihnen für Straftaten, die nicht unter die Kategorie "schwerste Verbrechen" fallen, für die laut Völkerrecht die Todesstrafe verhängt werden kann.

Saudi-Arabien verhängt außerdem Todesurteile gegen und vollstreckt diese an Personen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre waren. Damit verstößt das Land gegen seine Verpflichtungen unter dem Völkergewohnheitsrecht sowie gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Gerichtsverfahren in Saudi-Arabien entsprechen bei Weitem nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren, und die UN-Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht, werden regelmäßig verletzt. Verhandlungen in Todesstrafenprozessen finden oft im Geheimen statt und die Verfahren dabei sind unfair und summarisch. Den Angeklagten wird während der verschiedenen Inhaftierungs- und Verhandlungsphasen nur selten eine rechtliche Vertretung zugestanden. Verurteilungen auf der Basis von durch Folter, andere Misshandlungen, Zwang oder Täuschung erzielten "Geständnissen" werden zugelassen.

Die Spannungen zwischen saudischen Schiit_innen und den Behörden haben seit 2011 zugenommen, denn seit diesem Zeitpunkt fordern Schiit_innen in der von ihnen dominierten Ostprovinz des Königreichs Saudi-Arabien Reformen. Die Protestbewegungen im Nahen Osten und Nordafrika haben sie zum Teil dazu ermuntert. Seither werden Demonstrationen organisiert, um gegen die Festnahme, Inhaftierung und Schikanierung von Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft zu protestieren. Gebetstreffen, das Feiern schiitischer Feste und Verstöße gegen die Einschränkungen beim Bau schiitischer Moscheen und religiöser Schulen nehmen die Behörden zum Anlass für diese Repressalien.

Die saudischen Behörden reagieren ebenfalls mit repressiven Maßnahmen gegen diejenigen, die im Verdacht stehen, an den Protesten teilzunehmen, sie zu unterstützen oder sich kritisch gegenüber dem Staat zu äußern. Protestierende werden ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt tage- oder wochenlang in Haft gehalten und manche werden Berichten zufolge gefoltert oder in anderer Weise misshandelt. Seit 2011 sind beinahe 20 Menschen in Verbindung mit den Protesten in der Ostprovinz getötet und Hunderte inhaftiert worden. Wenn Fälle an die Gerichte übergeben werden, legt man den Beschuldigten vielfach lediglich die Teilnahme an Demonstrationen zur Last.

Unter den von den saudischen Behörden Inhaftierten und später strafrechtlich Verfolgten befinden sich zwei schiitische Geistliche, Scheich Tawfiq Jaber Ibrahim al-'Amr und Scheich Nimr Baqir al-Nimr, die im August 2011 bzw. Juli 2012 festgenommen wurden.

Scheich Tawfiq al-'Amr wurde am 13. August 2014 vom Sonderstrafgericht zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Danach darf er zehn Jahre lang nicht ins Ausland reisen und keine Predigten oder öffentlichen Ansprachen halten. Das Urteil wurde am 6. Januar von der Berufungsabteilung des Sonderstrafgerichts bestätigt. Das Gericht befand den Geistlichen der folgenden Anklagepunkte für schuldig: Schüren von Konflikten zwischen religiösen Gruppen, Diffamierung des Herrschaftssystems des Landes, Verhöhnung der Denkweise seiner Religionsführer, Aufruf zur Veränderung und Ungehorsam gegenüber dem Herrscher.

Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde am 15. Oktober 2014 vom Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt. Die ihm vorgeworfenen Straftaten umfassen unter anderem "Ungehorsam und Loyalitätsbruch gegenüber dem Herrscher", "Aufruf zum Umsturz des Regimes", "Aufruf zu Demonstrationen", "Anstiftung zu konfessionellen Konflikten", "Anzweifeln der Integrität der Justiz", und "Eingriff in die Angelegenheiten eines Nachbarstaates" (Bahrain). Das Verfahren gegen Scheich Nimr Baqir al-Nimr hatte am 25. März 2013 vor dem Sonderstrafgericht begonnen und wies schwere Mängel auf. Dem Geistlichen wurden die grundlegendsten Dinge, die zur Vorbereitung seiner Verteidigung erforderlich waren, verweigert. Unter anderem hatte er keinen regelmäßigen Zugang zu seinem Rechtsbeistand und weder einen Stift noch Papier, um auf die gegen ihn erhobenen Anklagen reagieren zu können. Im Widerspruch zu in Saudi-Arabien geltenden Gesetzen durften sich wichtige Augenzeug_innen weigern, vor Gericht auszusagen, und der Rechtsbeistand von Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde nicht über alle Verhandlungstermine in Kenntnis gesetzt.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.