Hungerstreik ausgesetzt

Die beiden palästinensischen Gefangenen Hassan Safadi und Samer al-Barq haben ihren Hungerstreik ausgesetzt. Hassan Safadi beendete seinen Hungerstreik, nachdem ein Richter entschieden hatte, dass seine ohne Gerichtsverfahren angeordnete Inhaftierung nach dem 29. Oktober nicht mehr verlängert werde. Samer al-Barq hat entschieden, seinen Hungerstreik zu beenden, nachdem eine Übereinkunft erzielt worden sein soll, dass die ägyptischen Behörden ihn nach seiner Freilassung aufnehmen.

Appell an

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O. Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800

LEITENDER BEAMTER IM GESUNDHEITSMINISTERIUM
Director General, Dr. Roni Gamzo, Ministry of Health
2 Ben Tabai Street
Jerusalem 93591, ISRAEL
(Anrede: Dear Director General, Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 972) 2 565 5966

Sende eine Kopie an

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Yitzhak Aharonovitch
Ministry of Public Security, Kiryat Hamemshala
Jerusalem 91181, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: sar@mops.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74–76
14193 Berlin
Fax: 030 8904-5555 oder -5309
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 6. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, Hassan Safadi und Samer al-Barq sowie alle weiteren hungerstreikenden Gefangenen in israelischer Haft in einem zivilen Krankenhaus behandeln zu lassen, in dem sie die erforderliche fachärztliche Betreuung erhalten, Zugang zu unabhängigen ÄrztInnen ihres Vertrauens zu gestatten und sie keiner grausamen und unmenschlichen Behandlung – wie Anketten am Krankenbett – auszusetzen.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass Samer al-Barq nicht gegen seinen Willen an einen anderen Ort verlegt, solange nicht von unabhängiger medizinischer Seite bestätigt worden ist, dass sein Zustand eine Verlegung zulässt und alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden, um einen Krankentransport zu ermöglichen.

  • Ich fordere nachdrücklich die unverzügliche Freilassung von Samer al-Barq, Hassan Safadi und aller übrigen Verwaltungshäftlinge, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.

  • Bis zu ihrer Freilassung müssen den Gefangenen regelmäßige Besuche ihrer Familien gewährt werden.

Sachlage

Nach 120 bzw. 90 Tagen Hungerstreik sind Samer al-Barq und Hassan Safadi nach wie vor in Lebensgefahr. Der Prozess der langsamen Wiederaufnahme von Nahrung muss von fachärztlichem Personal in einem dafür ausgestattetem Krankenhaus beaufsichtigt werden. Seit dem 10. September durften die beiden Gefangenen nicht mehr von unabhängigen MedizinerInnen besucht werden.

Samer al-Barq wurde am 17. September ins öffentliche Krankenhaus von Assaf Harofeh gebracht. Er soll drei oder vier Tage keine Flüssigkeit zu sich genommen haben. Nach von der Palästinensischen Autonomiebehörde geführten Verhandlungen haben die ägyptischen Behörden laut vorliegenden Informationen zugestimmt, Samer al-Barq aufzunehmen, wenn er freigelassen wird. Er hat daraufhin seinen Hungerstreik am 23. September ausgesetzt. Man brachte ihn danach in die medizinische Einrichtung des israelischen Gefängnisdienstes (Israel Prison Services – IPS) in Ramleh zurück. Dort kann die dringend erforderliche fachärztliche Behandlung nicht gewährleistet werden. Seine Familie, die ihn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen hat, wartet weiterhin auf Informationen, was mit ihm geschehen wird. Seinem Anwalt gegenüber hat Samer al-Barq angekündigt, seinen Hungerstreik fortzusetzen, wenn er nicht bald entlassen wird.

Hassan Safadi wurde am 11. September ins Krankenhaus von Assaf Harofeh verlegt. Dort soll er mindestens für eine gewisse Zeit an das Krankenbett angekettet worden sein. In Assaf Harofeh verweigerte er vier Tage lang die Aufnahme von Flüssigkeit, bis seine Familie am 20. September kurz mit ihm telefonieren konnte. Ein Militärrichter hat von Hassan Safadi gegen seine Inhaftierung eingelegte Rechtsmittel am 20. September geprüft und verfügt, dass die gegenwärtige Verwaltungshaftanordnung, die zum 29. Oktober ausläuft, nicht mehr verlängert wird. Der Anwalt von Hassan Safadi hat der Familie mitgeteilt, dass er beim zuständigen Gericht (High Court of Justice) gegen die fortgesetzte Inhaftierung Rechtsmittel eingelegt hat. Die israelische Nichtregierungsorganisation Physicians for Human Rights – Israel (PHR) konnte bislang nicht in Erfahrung bringen, ob Hassan Safadi gegenwärtig in der medizinische Einrichtung des IPS oder im Krankenhaus von Assaf Harofeh festgehalten wird.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die erste Festnahme von Samer al-Barq erfolgte am 15. Juli 2003 durch die pakistanischen Behörden. Er wurde zwei Wochen festgehalten und dann an die US-Behörden überstellt. Man hielt ihn drei Monate in einem Geheimgefängnis außerhalb Pakistans fest und brachte ihn schließlich am 26. Oktober nach Jordanien. Bis zu seiner Freilassung im Januar 2008 wurde er viereinhalb Jahre ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Jordanien in Haft gehalten. Im April 2010 wurde er erneut festgenommen und am 11. Juli 2010 an die israelischen Militärbehörden überstellt. Der 37-jährige Samer al-Barq wird seitdem ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Sein Rechtsbeistand hat gegenüber Amnesty International erklärt, dass er während dieser Zeit nicht verhört wurde. Nach 30 Tagen beendete er am 14. Mai 2012 seinen vorherigen Hungerstreik. Ab dem 22. Mai verweigerte er erneut die Nahrungsaufnahme, nachdem seine Haftanordnung um weitere drei Monate verlängert worden war. Seine Haftordnung wurde am 22. August erneut verlängert. Ein PHR-Arzt, der ihn am 10. September untersuchte, erklärte, dass Samer al-Barq jederzeit einen Herzstillstand erleiden könnte. Während des Hungerstreiks war er zeitweise an das Krankenhausbett gekettet. AnwältInnen gegenüber gab er an, vom Gefängnispersonal geschlagen und beschimpft worden zu sein. Amnesty International geht aufgrund der Angaben der AnwältInnen von Samer al-Barq, die an den Verhandlungen über seine Freilassung und mögliche Aufnahme in Ägypten beteiligt waren, davon aus, dass der Gefangene seine freiwillige Zustimmung zu diesen Verhandlungen gegeben hat. Amnesty International konnte jedoch nicht mit Samer al-Barq persönlich sprechen, um sich die Zustimmung bestätigen zu lassen.

Der 33-jährige Hassan Safadi wird seit dem 29. Juni 2011 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten. Im Mai beendete er nach 70 Tagen seinen ersten Hungerstreik. Seine Haftanordnung wäre regulär im Juni ausgelau¬fen, doch sie wurde um sechs Monate verlängert. Hassan Safadi nahm daraufhin am 21. Juni seinen Hungerstreik wieder auf. Bei einer gerichtlichen Überprüfung im September 2012 wurde die Haftanordnung auf vier Monate verkürzt. Der PHR-Arzt, der Hassan Safadi untersuchte, stellte fest, dass er 24 Prozent seines Körpergewichts verloren hat und an Muskelatrophie, vermindertem Sehvermögen, Schwindel, extrem niedrigem Blutdruck, Nierensteinen, Gelenkschmerzen, eingeschränktem Empfinden und Zyanose in den Händen und Füßen leidet, was auf eine dauerhafte Nervenschädigung hindeuten könnte. Auch er hat angegeben, vom Gefängnispersonal geschlagen und beschimpft worden zu sein.

Ein weiterer palästinensischer Gefangener, Ayman Sharawna, der am 31. Januar festgenommen wurde – drei Monate, nachdem er im Oktober 2011 im Rahmen eines Gefangenenaustausch freigekommen war –, befindet sich seit dem 1. Juli 2012 im Hungerstreik. Er protestiert damit gegen die Weigerung eines israelischen Militärausschusses, ihm oder seinen Rechtsbeiständen ihre Vorwürfe zu begründen, er habe gegen Auflagen für seine Freilassung als Teil eines Gefangenenaustausches verstoßen. Ein PHR-Arzt, der Ayman Sharawna am 10. September untersuchte, empfahl seine Einweisung in ein Krankenhaus und gab an, er leide an sehr niedrigem Blutdruck; Unterkühlung; Schmerzen in der Nierenregion, im Rücken und dem rechten Bein und Sehverlust im rechten Auge. Zudem habe er kein Empfinden im linken Bein und habe Blut erbrochen. Er befindet sich gegenwärtig in der medizinischen IPS-Einrichtung in Ramleh. Dort hat er die überwiegende Zeit seines Hungerstreiks verbracht, wurde allerdings vergangene Woche ins Krankenhaus von Tel Hashomer verlegt, als er vier Tage lang die Aufnahme von Wasser verweigert hatte. Er hat angekündigt, erneut in einen "trockenen Hungerstreik" zu treten, wenn sich seine Situation in den kommenden Tagen nicht verbessert.

Verwaltungshaft ist die Inhaftierung von Personen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren. Die Haftanordnung kann auf der Grundlage von Beweisen, die weder den Gefangenen selbst noch ihren Rechtsbeiständen mitgeteilt werden, immer wieder verlängert werden. Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen, wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Trotz Medienberichten, laut denen die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftanordnungen nicht erneuern wollen, sofern die Nachrichtendienste keine neuen belastenden Erkenntnisse zutage fördern, scheinen auch weiterhin Verwaltungshaftanordnungen ausgestellt worden zu sein. Die Gesamtzahl der Verwaltungshäftlinge soll derzeit 212 betragen, über 100 weniger als im März 2012. Tatsächlich sind bereits einige Verwaltungshäftlinge frei gekommen, nachdem sie zugesichert hatten, die Besetzten Palästinensischen Gebieten dauerhaft zu verlassen und ins Exil zu gehen. Die Vierte Genfer Konvention untersagt es Besatzungsmächten, Menschen gegen ihren Willen aus einem besetzten Gebiet auszuweisen. Weitere Informationen finden Sie in dem im Juni 2012 veröffentlichten Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en.