Drohende Zwangsräumung

Ein Roma-Paar im Industriegebiet Ferneziu in Baia Mare, Dezember 2010

Ein Roma-Paar im Industriegebiet Ferneziu in Baia Mare, Dezember 2010

In Baia Mare im Nordwesten Rumäniens droht rund 2000 Roma die Zwangsräumung. Berichten zufolge sind 70 Familien mit ihrer Umsiedlung in andere Wohnorte einverstanden, den übrigen in Baia Mare ansässigen Roma droht hingegen die Obdachlosigkeit. Darüber hinaus ist geplant, BewohnerInnen von Baia Mare, die über keine dort registrierten Ausweispapiere verfügen, ebenfalls aus der Ortschaft zu vertreiben, ihre Unterkünfte abzureißen und die von der Maßnahme betroffenen Menschen an ihre Herkunftsorte zurückzuschicken.

Appell an

BÜRGERMEISTER VON BAIA MARE
Cătălin Cherecheş
Primaria Municipiului Baia Mare
Str. Gh. Sincai nr. 37
etaj 1, cam. 9
Baia Mare
RUMÄNIEN (korrekte Anrede: Dear Mayor /Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 40) 262 212 332
E-Mail: primar@baiamarecity.ro

MINISTERPRÄSIDENT
Mihai Razvan Ungureanu
Guvernul Romanici
Piata Victoriei nr. 1
Sector 1
Bucuresti
RUMÄNIEN (korrekte Anrede : Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 40) 21 313 98 46
E-Mail: drp@gov.ro

Sende eine Kopie an

PRÄFEKT VON MARAMUREŞ
Sandu Pocol
Instituţia Prefectului - Judeţul Maramureş
Str. Gheorghe Şincai nr. 46
430311 Baia Mare
RUMÄNIEN
(korrekte Anrede: Dear Prefect /Sehr geehrter Herr Präfekt)
Fax: (00 40) 262 213 241
E-Mail: prefect@prefecturamaramures.ro

BOTSCHAFT VON RUMÄNIEN
S.E. Herrn Lazăr Comănescu
Dorotheenstraße 62 – 66
10117 Berlin
Fax: 030-2123 9399
E-Mail: office@rumaenische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 3. Mai 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Rumänisch, Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Zwangsräumungen so lange ausgesetzt werden, bis eine angemessene Konsultation mit den Roma-Gemeinschaften stattgefunden hat, um alle möglichen Räumungsalternativen und Umsiedlungsoptionen zu untersuchen. Lassen Sie bitte keine Zwangsräumungen zu, so lange nicht allen davon betroffenen Menschen eine angemessene und internationalen Menschenrechtsstandards gerecht werdende Ersatzunterkunft zur Verfügung steht.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass eine Zwangsräumung der Gemeinschaften in Craica, Pirita und Garii nur als letztes Mittel und in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt wird.

  • Tragen Sie bitte dafür Sorge, dass keine Personen an ihren ursprünglichen Wohnsitz umgesiedelt oder von der Rückkehr abgehalten werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the city authorities to halt the evictions until genuine consultation with the affected communities has been conducted in order to identify all feasible alternatives to evictions and resettlement options, and until adequate alternative housing, compliant with requirements under human rights law, is provided to all persons affected.

  • Urging the city authorities to ensure that any evictions of the communities currently living in Craica, Pirita and Garii.

  • Urging the city authorities to provide adequate alternative housing, compliant with requirements under human rights law and that people are not forcibly moved to their original places of residence and prevented from returning.

Sachlage

Die Behörden von Baia Mare haben annähernd 300 in Craica, Garii und Pirita wohnhaften Roma-Familien einen Räumungsbefehl zugestellt und den Abriss ihrer Unterkünfte in den Tagen um den 3. Mai herum angekündigt.

Nach Amnesty International vorliegenden Informationen planen die örtlichen Behörden die Umsiedlung von rund 70 Familien aus Craica, die sich einverstanden erklärt haben, eine für sie bereit stehende Unterkunft im ehemaligen Bürogebäude des Industrieunternehmens CUPROM zu beziehen. Die übrigen Roma-Familien lehnen es ab, ihre Wohnungen aufzugeben und sich umsiedeln zu lassen. Da ihnen keine weitere Alternative zu ihren bisherigen Unterkünften angeboten worden ist, droht ihnen die Obdachlosigkeit. Den in den übrigen beiden Siedlungen Pirita und Garii wohnhaften Familien sind keine Einzelheiten über ihre etwaige anderweitige Unterbringung mitgeteilt worden. Die Räumungsvorhaben der örtlichen Behörden in den drei genannten Siedlungen verstoßen gegen im Völkerrecht verankerte Schutzvorschriften, insbesondere gegen das Prinzip der umfassenden vorherigen Konsultation der betroffenen Menschen und die Pflicht zur Bereitstellung alternativer Unterkünfte.

Einzelpersonen und Familien, die in Baia Mare nicht registriert sind, sollen nach den Plänen der Behörden in ihre Herkunftsorte zurückgeschickt werden. Ein solches Vorgehen käme einer Strafmaßnahme gleich, die sich vorsätzlich und in diskriminierender Weise gegen Menschen ohne Aufenthaltstitel oder anderweitigem rechtlichen Status richtet. Darüber hinaus würden die von der Maßnahme betroffenen Menschen in ihren Rechten auf Freizügigkeit und auf freie Wahl ihres Wohnsitzes verletzt.

[EMPFOHLENE AKTIONEN]

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Zwangsräumungen so lange ausgesetzt werden, bis eine angemessene Konsultation mit den Roma-Gemeinschaften stattgefunden hat, um alle möglichen Räumungsalternativen und Umsiedlungsoptionen zu untersuchen. Lassen Sie bitte keine Zwangsräumungen zu, so lange nicht allen davon betroffenen Menschen eine angemessene und internationalen Menschenrechtsstandards gerecht werdende Ersatzunterkunft zur Verfügung steht.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass eine Zwangsräumung der Gemeinschaften in Craica, Pirita und Garii nur als letztes Mittel und in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt wird.

  • Tragen Sie bitte dafür Sorge, dass keine Personen an ihren ursprünglichen Wohnsitz umgesiedelt oder von der Rückkehr abgehalten werden.

[APPELLE AN]

BÜRGERMEISTER VON BAIA MARE
Cătălin Cherecheş
Primaria Municipiului Baia Mare
Str. Gh. Sincai nr. 37
etaj 1, cam. 9
Baia Mare
RUMÄNIEN (korrekte Anrede: Dear Mayor /Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 40) 262 212 332
E-Mail: primar@baiamarecity.ro

MINISTERPRÄSIDENT
Mihai Razvan Ungureanu
Guvernul Romanici
Piata Victoriei nr. 1
Sector 1
Bucuresti
RUMÄNIEN (korrekte Anrede : Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 40) 21 313 98 46
E-Mail: drp@gov.ro

KOPIEN AN
PRÄFEKT VON MARAMUREŞ
Sandu Pocol
Instituţia Prefectului - Judeţul Maramureş
Str. Gheorghe Şincai nr. 46
430311 Baia Mare
RUMÄNIEN
(korrekte Anrede: Dear Prefect /Sehr geehrter Herr Präfekt)
Fax: (00 40) 262 213 241
E-Mail: prefect@prefecturamaramures.ro

BOTSCHAFT VON RUMÄNIEN
S.E. Herrn Lazăr Comănescu
Dorotheenstraße 62 – 66
10117 Berlin
Fax: 030-2123 9399
E-Mail: office@rumaenische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 3. Mai 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Rumänisch, Englisch oder auf Deutsch.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Craica, Garii und Pirita sind drei von Roma-Familien bewohnte informelle Siedlungen in Baia Mare. Es gibt in der Gegend noch weitere solcher Siedlungen wie etwa Horea, Fernezlu und Valea Borcutului. Delegierte von Amnesty International hielten sich im Dezember 2010 und erneut im Oktober 2011 in Baia Mare auf und trafen mit BewohnerInnen der Siedlungen in Craica, Fernezlu und Horea zu Gesprächen zusammen. Dabei stellten sie fest, dass die Lebensbedingungen in den Siedlungen unzulänglich waren und kein Zugang zu Grundversorgungseinrichtungen bestand. Beispielsweise mangelte es an der Versorgung mit Wasser und an sanitären Einrichtungen. Die VertreterInnen von Amnesty International erfuhren aus Gesprächen mit in Craica und Fernezlu lebenden Roma, dass die aufgrund ihres formal nicht geregelten Mietstatus jederzeit drohende Vertreibung und das Ausbleiben verlässlicher Informationen über den weiteren Fortgang der Angelegenheit bei ihnen ein ständiges Gefühl der Unsicherheit erzeugt.

Amnesty International hat sich in der Vergangenheit bereits zwei Mal gegen Pläne der Stadtverwaltung gewandt, mehrere hundert Roma und Angehörige anderer sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen gegen ihren Willen aus den informellen Siedlungen in Craica, Fernezlu, Horea und Valea Borcutului in andere Gegenden umzusiedeln. Im Juli 2010 kündigte der damalige stellvertretende Bürgermeister von Craica an, mehr als 1000 dort lebende Roma in ein Industriegebiet am Rande von Baia Mare umsiedeln zu wollen. Angemessene Vorkehrungen, um die Einhaltung internationaler Standards zum Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, gab er nicht bekannt. Im August 2011 erläuterte der amtierende Bürgermeister von Baia Mare Pläne, aus vier Bezirken der Stadt mehrere hundert dort lebende Roma und Angehörige anderer sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen, die über keine in Baia Mare ausgestellten Ausweispapiere verfügen, in ihre Herkunftsorte zurückzuschicken. Die Ankündigung des Bürgermeisters löste vehemente Proteste seitens nationaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen wie auch der US-Botschaft in Bukarest aus. Beide Male rückte der Bürgermeister wieder von seinen Plänen ab.

Amnesty International befürchtet, dass die geplanten Räumungen rechtswidrigen Zwangsräumungen gleich kommen könnten, die nach dem Völkerrecht verboten sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat soeben mit Urteil vom 24. April 2012 in einer wegweisenden Entscheidung die Vertreibung von Roma-Gemeinschaften in Bulgarien von Ländereien, die sie in informeller Weise besiedeln, als rechtswidrig bezeichnet. Der Gerichtshof betonte, dass die Behörden gegen eine Gemeinschaft, die bereits seit einigen Jahren auf einem Grundstück wohnt, nicht in der gleichen Weise vorgehen darf "wie in Fällen routinemäßiger Räumung...von rechtwidrig besetztem Eigentum". Vielmehr sind die Behörden verpflichtet darzulegen, dass eine Räumung in Bezug auf das angestrebte Ziel "verhältnismäßig" ist. Darüber hinaus müssen die Behörden der Gefahr Rechnung tragen, dass Menschen infolge einer Räumung obdachlos werden. Das Urteil sollte allen Staaten, die die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben – und Rumänien zählt zum Kreis dieser Staaten – als Richtschnur für ihren Umgang mit den Rechten der Roma auf Wohnraum gelten.

Rumänien hat sich darüber hinaus zur Einhaltung einer Reihe weiterer internationaler und regionaler Menschenrechtsabkommen verpflichtet, welche Zwangsräumungen untersagen und deren Verhinderung verlangen. Dazu zählen der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Kinderrechtskonvention, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und die revidierte Europäische Sozialcharta. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat in seinen Allgemeinen Bemerkungen Nr. 7 dargelegt, dass Räumungen lediglich als letzte Möglichkeit durchgeführt werden dürfen, wenn bereits alle anderen Alternativen ausgeschöpft wurden. Selbst wenn eine Räumung als gerechtfertigt betrachtet wird, darf sie nur dann durchgeführt werden, wenn angemessene Verfahrensschutzmaßnahmen in Kraft sind und Entschädigung für alle erlittenen Verluste und angemessene alternative Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Internationale Standards sehen vor, dass Räumungen weder bei schlechtem Wetter noch nachts stattfinden dürfen. Nach dem Völkerrecht dürfen Zwangsräumungen und Gebäudeabrisse auch nicht als Strafmaßnahme gegen Menschen eingesetzt werden, die keinen Wohnsitz haben oder denen ein anderer regulärer Status fehlt.

Als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte hat Rumänien überdies sicherzustellen, dass sich eine jede Person, die sich rechtmäßig auf rumänischem Hoheitsgebiet aufhält, dort frei bewegen und ihren Wohnsitz frei wählen kann.