Menschenrechtler in Gefahr

Kuwait City

Kuwait City

'Abdulhakim al-Fadhli, Angehöriger der Gemeinschaft der Bidun ("Staatenlose") und Menschenrechtsverteidiger, wird seit dem 18. April im Zentralgefängnis von Kuwait festgehalten. Ihm werden Straftaten vorgeworfen, die die öffentliche Ordnung gefährden. Er befindet sich seit seiner Festnahme im Hungerstreik und könnte misshandelt werden.

Appell an

EMIR DES STAATES KUWAIT
His Highness
Sheikh Sabah al-Ahmad al-Jaber Al Sabah
Al Diwan Al Amiri, P.O. Box 1
al-Safat 13001, KUWAIT
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 965) 2243 0559
E-Mail: amirsoffice@da.gov.kw

ERSTER STELLVERTRETENDER PREMIERMINISTER
His Excellency
Sheikh Mohammed Khaled Al-Hamad Al-Sabah
Ministry of the Interior, P.O. Box 12500
Shamiya 71655, KUWAIT
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 965) 2249 6570
E-Mail: info@moi.gov.kw

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER PARLAMENTARISCHEN
MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Parliamentary Human Rights Committee
National Assembly
P.O. Box 716, al-Safat 13008, KUWAIT
Fax: (00 965) 2243 6331
E-Mail: ipu-grp@kna.kw (Betreff: FAO Chairperson of the Parliamentary Human Rights Committee)

BOTSCHAFT DES STAATES KUWAIT
S. E. Herrn Monther Bader Sulaiman Aleissa
Griegstraße 5-7
14193 Berlin
Fax: 030-8973 0010
E-Mail: info@kuwait-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 10. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass 'Abdulhakim al-Fadhli vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und sofort Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl, seiner Familie und jegliche erforderliche medizinische Behandlung erhält.

  • Bitte leiten Sie sofort eine unparteiische und unabhängige Untersuchung zu den Vorwürfen ein, 'Abdulhakim al-Fadhli sei gefoltert worden. Ziel der Untersuchungen sollte es sein, Personen, denen in diesem Zusammenhang als Straftat anerkannte Handlungen vorgeworfen werden, in Verfahren vor Gericht zu stellen, die internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen.

  • Lassen Sie bitte die gegen 'Abdulhakim al-Fadhli erhobenen Anklagen fallen, die sich ausschließlich auf Handlungen beziehen, mit denen er seine Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen hat. Stellen Sie bitte zudem sicher, dass ein etwaiges Verfahren gegen ihn internationalen Standards für faire Verfahren entspricht.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on Kuwaiti authorities to ensure that 'Abdulhakim al-Fadhli is protected from torture and other ill-treatment and given prompt access to a lawyer of his choice, his family and any medical attention he may require.

  • Urging the authorities to open a prompt, impartial and independent investigation into his allegations of torture and other ill-treatment, with a view to bringing to justice anyone suspected of a recognizably criminal offense through trials that meet international standards of fairness.

  • Calling on them to drop any charges against him that arise solely from the exercise of his rights to freedom of expression and peaceful assembly and to ensure that any trial he faces is in accordance with international fair trial standards.

Sachlage

Kuwaitische Sicherheitskräfte haben 'Abdulhakim al-Fadhli am Abend des 18. April festgenommen, als er an einer friedlichen privaten Versammlung vor dem Wohnhaus des ehemaligen Parlamentsmitglieds und gewaltlosen politischen Gefangenen Musallam Al Barrak teilnahm. Am 19. April brachten Beamt_innen 'Abdulhakim al-Fadhli dann in das Zentralgefängnis von Kuwait, wo er seitdem festgehalten wird. Der Menschenrechtsverteidiger ist direkt nach seiner Festnahme in den Hungerstreik getreten.

Am 20. Februar 2016 bestätigte ein Berufungsgericht in Kuwait ein Urteil, das im Januar 2015 gegen 'Abdulhakim al-Fadhli ergangen war. Damals war er wegen mutmaßlicher die öffentliche Sicherheit gefährdender Straftaten zu einem Jahr Haft und einem anschließenden Landesverweis verurteilt worden. Grund für die Verurteilung war seine Teilnahme an einer friedlichen Versammlung am 19. Februar 2014 in Taima im Westen von Kuwait-Stadt. Mit dieser Zusammenkunft war der dritte Jahrestag von Demonstrationen begangen worden, mit denen Angehörige der Bidun-Gemeinschaft 2011 die kuwaitische Staatsangehörigkeit forderten.

Da er während der Verhandlung nicht anwesend war, wurde 'Abdulhakim al-Fadhli nicht unmittelbar nach der Bestätigung seines Urteils inhaftiert. Bis zu seiner Festnahme am 18. April galt er als "flüchtig".

'Abdulhakim al-Fadhli war zwischen Februar und Mai 2014 inhaftiert und hat angegeben, in dieser Zeit geschlagen und bedroht worden zu sein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

'Abdulhakim al-Fadhli wurde am 24. Februar 2014 festgenommen und drei Monate inhaftiert. Er hat angegeben, nach seiner Festnahme vier Stunden lang geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht worden zu sein. Zudem habe man ihn ohne einen Rechtsbeistand verhört. Einem Staatsanwalt gegenüber gab er an, Polizist_innen hätten ihn gezwungen, ein "Geständnis" zu unterschreiben. Während seiner Inhaftierung soll er zudem anderweitig körperlich und psychisch misshandelt worden sein, unter anderem indem man ihm eine Plastiktüte über den Kopf gezogen habe.

Es leben derzeit mehr als 100.000 Bidun in Kuwait. Viele von ihnen sind in Kuwait geboren und gehören Familien an, die dort bereits seit vielen Generationen leben. Trotz 2015 angekündigter Reformen sind Angehörige der Gemeinschaft der Bidun gegenüber kuwaitischen Staatsbürger_innen weiterhin schwerwiegenden Einschränkungen hinsichtlich des Zugangs zu Arbeitsplätzen, Gesundheitsleistungen, Bildung und staatlicher Unterstützung ausgesetzt. Gegen Demonstrationen der Bidun, bei denen sie ihre Rechte einfordern, wird häufig mit Gewalt und Unterdrückung vorgegangen. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf Englisch unter http://amnesty.org/en/library/info/MDE17/001/2013/en/.

Bis 1986 waren die Bidun in ihrem Status kuwaitischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Seitdem ist es Tausenden Bidun jedoch nicht möglich, staatliche Dienstleistungen wahrzunehmen, für die man kuwaitische Ausweisdokumente benötigt, weil sie nur über vorläufige Papiere verfügen, deren Erneuerung im Ermessen der kuwaitischen Behörden liegt. Tausende weitere Bidun verfügen über gar keine Ausweispapiere und sind oftmals auf Almosen angewiesen, um überleben zu können. Der Einbürgerungsprozess, für den eine Regierungsbehörde zuständig ist, die den Status "illegaler" Einwohner_innen klären soll, ist undurchsichtig und basiert auf sich ändernden Kriterien. Die Behörde bewertet Fälle und spricht Empfehlungen an einen Ausschuss aus, der letztendlich darüber entscheidet, ob den Betroffenen die Staatsbürgerschaft zugesprochen wird.

Aufgrund der Diskriminierung, die sie erfahren, akzeptieren Angehörige der Gemeinschaft der Bidun, die im öffentlichen Sektor arbeiten dürfen, häufig niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen als kuwaitische Staatsbürger_innen. Bidun zahlen zudem oftmals mehr für grundlegende medizinische Behandlungen, da sie diese nicht in staatlichen Einrichtungen wahrnehmen können. Obwohl es einen staatlichen Bildungsfonds gibt, der auch Bidun-Familien zugänglich ist, müssen Angehörige der Gemeinschaft der Bidun ihre Kinder zum Teil auf kostenpflichtige Schulen schicken, da sie größtenteils von kostenfreien staatlichen Schulen ausgeschlossen werden. Im April 2011 sagte die Regierung zu, die Rechte der Bidun stärken zu wollen. Bisher ist es jedoch bei Versprechungen geblieben. In der Folge wird Zehntausenden Bidun noch immer das Recht auf eine Staatsangehörigkeit verwehrt, das in internationalen Menschenrechtsnormen festgeschrieben ist.

Von den Protesten inspiriert, die 2011 im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika ausbrachen, begann die Bidun-Gemeinschaft im Februar 2011 mit friedlichen Demonstrationen, um die kuwaitische Staatsangehörigkeit zu fordern. Die Sicherheitskräfte lösten die Kundgebungen gewaltsam auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Einige von ihnen wurden wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen angeklagt.

Der Premierminister von Kuwait sicherte Amnesty International am 18. Oktober 2012 zu, dass die Regierung 34.000 Bidun als kuwaitische Staatsangehörige anerkennen und die übrigen Fälle innerhalb von fünf Jahren bearbeiten werde.