Journalist zu Haftstrafe verurteilt

Faltblatt: Ich seh' das anders

Faltblatt: Ich seh' das anders

Der marokkanische Journalist Hicham Mansouri wurde wegen "Ehebruchs" und anderer Anklagen in einem unfairen Gerichtsverfahren zu zehn Monaten Haft verurteilt. Allem Anschein nach wurde er nur deshalb ins Visier genommen, weil er sich in friedlicher Weise für investigativen Journalismus engagiert. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.

Appell an

JUSTIZMINISTER
El Mustapha Ramid
Ministry of Justice and Liberties
Place El Mamounia
Rabat
MAROKKO
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 212) 537 26 31 03

MINISTER FÜR KOMMUNIKATION
M. Mustapha Khalfi
Ministry of Communication
Avenue Allal Al Fassi
Cité El Irfane
Rabat
MAROKKO
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 212) 537 68 01 81

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT DES STAATLICHEN MENSCHENRECHTSRATS
Driss El Yazami
CNDH, Place Achouhada
Rabat
MAROKKO
Fax: (00 212) 537 54 00 01
E-Mail: elyazami@cndh.org.ma

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS MAROKKO
S.E. Herrn Omar Zniber
Niederwallstraße 39
10117 Berlin
Fax: 030-2061 2420
E-Mail: kontakt@botschaft-marokko.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juni 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Hicham Mansouri und seine Mitangeklagte umgehend und bedingungslos frei.

  • Bitte stellen Sie unbedingt sicher, dass Journalist_innen und Personen, die sich für Pressefreiheit einsetzen, vor Schikane, Drangsalierung und sonstigen Vergeltungsmaßnahmen aufgrund ihres friedlichen Engagements geschützt sind.

  • Bitte respektieren Sie das Recht auf Privatsphäre, wie es in Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte garantiert wird, dessen Vertragsstaat Marokko ist.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Moroccan authorities to release Hicham Mansouri and his co-defendant immediately and unconditionally.

  • Urging them to ensure journalists and press freedom advocates are protected from assault, harassment and prosecution in reprisal for their work peacefully defending the right to freedom of expression.

  • Reminding them that Article 17 of the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Morocco is a state party, protects the right to privacy.

Sachlage

Am 17. März verschafften sich zehn Polizeikräfte in Zivil Zutritt zu der Wohnung von Hicham Mansouri. Sie nahmen ihn sowie eine verheiratete Frau fest, die bei ihm zu Besuch war. Seinen Angaben zufolge zwangen die Polizist_innen ihn und seine Bekannte, sich nackt auszuziehen und für kompromittierende Fotos zu posieren. Danach wurden beide auf eine Polizeiwache gebracht. Hicham Mansouri sagte, dass man ihm nur ein Handtuch zum Bekleiden gab. Die Verhörbeamt_innen erlaubten ihm nicht, mit seinem Rechtsbeistand zu sprechen, was einen Verstoß gegen Paragraf 66 der marokkanischen Strafprozessordnung darstellt. Angaben von Hicham Mansouri zufolge stellte man ihm viele Fragen, die mit der später gegen ihn erhobenen Anklage nichts zu tun hatten, so z. B. Fragen über seine Beziehung zu einigen unabhängigen Journalist_innen. Hicham Mansouri sagte zudem, dass er über seine Kolleg_innen im marokkanischen Verband für investigativen Journalismus (Association Marocaine du Journalisme d’Investigation – AMJI) und zu den Aktivitäten des Verbands befragt wurde. Hicham Mansouri arbeitet in dem Verband und unterstützt damit Journalist_innen bei der Untersuchung und Aufdeckung korrupter Praktiken und anderer Verbrechen in Politik und Industrie.

Hicham Mansouri wurde am 30. März wegen "Beteiligung am Ehebruch" und "Vorbereiten einer Wohnung für die Prostitution" vor einem erstinstanzlichen Gericht in Rabat zu zehn Monaten Haft verurteilt. Das Gericht verhängte zusätzlich eine Geldstrafe von 20.000 Marokkanischen Dirham (knapp 2.000 Euro). Die mit Hicham Mansouri festgenommene Frau wurde wegen ähnlicher Anklagen zur gleichen Strafe verurteilt. Am 28. April soll eine Berufungsanhörung stattfinden. Hicham Mansouri und seine Bekannte werden im Gefängnis Salé II Local in der Nähe der Hauptstadt Rabat festgehalten. Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, das Gericht habe die Argumente der Verteidigung ohne Erklärung zurückgewiesen und keine Zeug_innen der Verteidigung zugelassen. Unter anderem waren der Bruder und Mitbewohner von Hicham Mansouri sowie der Portier und einige Nachbarn des Hauses bereit gewesen, vor Gericht sein tadelloses Verhalten zu attestieren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Hicham Mansouri arbeitet als Programmdirektor im marokkanischen Verband für investigativen Journalismus (Association Marocaine du Journalisme d’Investigation – AMJI). Es handelt sich hierbei um eine NGO, die marokkanischen Investigativjournalist_innen Unterstützungs-, Aus- und Weiterbildungs- sowie Finanzierungsmöglichkeiten anbietet. AMJI hat 2008 die Eintragung als Verband beantragt und im selben Jahr seine Tätigkeit aufgenommen. Die Behörden haben die Eintragung allerdings erst 2011 offiziell bestätigt.

Hicham Mansouri hat bereits vor seiner Festnahme berichtet, am Abend des 24. September 2014 in Rabat angegriffen und verletzt worden zu sein. Er hat den Vorfall bei der Polizei angezeigt, es sind jedoch keine Untersuchungsfortschritte bekannt. Ein AMJI-Kollege von Hicham Mansouri sagte Amnesty International, dass Hicham Mansouri ihm gegenüber berichtet hat, in Verbindung mit seiner Arbeit und seinem Einsatz für investigativen Journalismus schikaniert und bedroht worden zu sein, unter anderem auch per Telefon.

Der Rechtsbeistand von Hicham Mansouri umriss die Argumente der Verteidigung, die vor Gericht zurückgewiesen wurden, wie folgt: Unter dem marokkanischen Strafgesetzbuch hat die Staatsanwaltschaft nicht das Recht, die Festnahme von Personen wegen "Ehebruchs" anzuordnen, ohne dass zuvor der mutmaßlich betrogene Ehepartner Beschwerde eingelegt hat. Darüber hinaus entsprachen die Beweise gegen Hicham Mansouri und seine Bekannte nicht den Beweisanforderungen für "Ehebruch", da sie nicht auf frischer Tat ertappt worden waren und keine medizinische Untersuchung angeordnet wurde, um festzustellen, dass tatsächlich sexuelle Handlungen stattgefunden hatten.

Amnesty International wendet sich ohne Vorbehalte gegen alle Gesetze gegen "Ehebruch" bzw. "außerehelichem Geschlechtsverkehr", die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, da solche Gesetze das Recht auf Privatsphäre sowie weitere Menschenrechte verletzen. Im Fall von Hicham Mansouri ist Amnesty International der Ansicht, dass die Vorwürfe nur deshalb gegen ihn erhoben wurden, um ihn für seine Unterstützung des investigativen Journalismus zu bestrafen.