Puppenspieler angeklagt

Alfonso Lázaro de la Fuente und Raúl García Pérez wurden am 5. Februar 2016 von der Polizei festgenommen, nachdem sie bei einer öffentlichen Veranstaltung in Madrid ein Puppentheaterstück aufgeführt hatten. Sie wurden am 10. Februar wieder freigelassen, sind aber unter anderem wegen "Terrorismus-Verherrlichung" angeklagt. Wenn sie für schuldig befunden werden, können sie zu einer Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren verurteilt werden.

Appell an

GENERALSTAATSANWÄLTIN
Consuelo Madrigal Martínez-Pereda
Fiscalía General del Estado
C/ Fortuny, 4
28071 Madrid
SPANIEN
(Anrede: Dear Ms / Estimada Señora / Sehr geehrte Frau Generalstaatsanwältin)
Fax: (00 34) 913 352 295
E-Mail: fge.secretaria.fiscalgeneral@fiscal.es

Sende eine Kopie an

JUSTIZMINISTER
Mr Rafael Catalá Polo
Ministerio de Justicia
C/ San Bernardo, 45
28071 Madrid
SPANIEN
Fax: (00 34) 913 902 000

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICH SPANIENS
S.E. Herrn Juan Pablo Garcia-Berdoy Cerezo
Lichtensteinallee 1
10787 Berlin
Fax: 030-2579 9557
E-Mail: emb.berlin.inf@maec.es

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. März 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, EMAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie die Anklagen gegen Alfonso Lázaro de la Fuente und Raúl García Pérez fallen, da sie nur auf die friedliche Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung zurückzuführen sind.

  • Lassen Sie in der Zwischenzeit bitte die restriktiven Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den Anklagen verhängt wurden, fallen oder lockern Sie sie deutlich, und stellen Sie sicher, dass solche Maßnahmen nur dann erlassen werden, wenn sie, wie es das Völkerrecht vorsieht, erforderlich und angemessen sind.

  • Bitte ändern Sie die Paragrafen des Strafgesetzbuchs, mit denen Menschenrechte, wie zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäußerung, unverhältnismäßig eingeschränkt werden, und orientieren Sie sich dabei an den internationalen Menschenrechtsstandards und -normen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Spanish authorities to drop the charges against Alfonso Lázaro de la Fuente and Raúl García Pérez as they stem solely from their peaceful exercise of the right to freedom of expression.

  • Urging them, in the meantime, to drop or significantly lessen the restrictions imposed related to these charges and ensure that any such restriction is strictly necessary and proportional as required under international law.

  • Calling on them to repeal or amend the Criminal Code articles which impose disproportionate restrictions to human rights, including the right to freedom of expression, in line with international human rights law and standards.

Sachlage

Alfonso Lázaro de la Fuente und Raúl García Pérez, Puppenspieler des Ensembles Títeres Desde Abajo ("Puppen von unten"), wurden am 5. Februar 2016 um 17 Uhr von der spanischen Polizei festgenommen, nachdem sie bei einer öffentlichen Karnevalsveranstaltung in Madrid, die vom Stadtrat organisiert worden war, ein Puppentheaterstück aufgeführt hatten. Ein großes Publikum, darunter auch viele Kinder, war anwesend, als sie das Stück mit dem Namen La Bruja y Don Cristobal ("Die Hexe und Herr Cristobal") aufführten. Berichten von Zuschauer_innen zufolge enthielt es Szenen, in denen eine Nonne erstochen, ein Richter erhängt und eine schwangere Frau verprügelt wurden. Während der Aufführung hielt eine der Puppen ein Spruchband mit der Aufschrift "Gora Alka-ETA" hoch. Dabei handelte es sich um eine Verbindung aus einem Slogan der baskische Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna) – Gora ETA ("Lang lebe die ETA") – und "Alka", was vermutlich auf Al-Qaida anspielte. Einige Zuschauer_innen nahmen Anstoß daran und beschwerten sich lautstark. Sie forderten, dass die Aufführung beendet werden sollte, und riefen die Polizei.

Alfonso Lázaro de la Fuente und Raúl García Pérez wurden am 6. Februar 2016 vor die zweite Kammer des zentralen Untersuchungsgericht in Madrid gestellt. Sie wurden wegen Terrorismusverherrlichung (Paragraf 578 des Strafgesetzbuchs) und wegen Anstiftung zu Hass und Gewalt (Paragraf 510 des Strafgesetzbuchs) angeklagt. Der Richter gab der Forderung der Staatsanwaltschaft statt, sie während des laufenden Verfahrens in Untersuchungshaft zu behalten. Am 10. Februar forderte die Staatsanwaltschaft des nationalen Staatsgerichtshofs (Audiencia Nacional) ihre Freilassung. Sie wurden zwar noch am selben Tag freigelassen, die Anklagen gegen sie sind jedoch immer noch anhängig. Zudem wurden mehrere restriktive Maßnahmen gegen sie verhängt, darunter ein Ausreiseverbot, die Vorgabe, sich täglich bei einem Gericht oder einer Polizeistation zu melden, und die Konfiszierung des "anstößigen Materials".

Die Anklagen gegen Alfonso Lázaro de la Fuente und Raúl García Pérez sind auf die friedliche Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung im Kontext einer künstlerischen Aufführung zurückzuführen. Das spanische Strafgesetzbuch enthält sehr vage formulierte und breit gefasste Straftatbestände im Zusammenhang mit "Terrorismus". Diese vagen Definitionen sind zum Teil das Ergebnis von Änderungen des Strafgesetzbuchs im Jahr 2015 und können zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, führen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Laut Paragraph 578 des spanischen Strafgesetzbuchs ist die Verherrlichung und Rechtfertigung von Terrorismus eine Straftat, die eine Gefängnisstrafe von zwischen einem und drei Jahren sowie eine Geldstrafe nach sich zieht. Die Strafen können verschärft werden, wenn die Handlungen der Angeklagten als "besonders schwer" eingestuft werden, weil sie "dazu geeignet sind, eine ernsthafte Störung der öffentlichen Ordnung oder ein schwerwiegendes Gefühl von öffentlicher Unsicherheit oder Furcht hervorzurufen" (resulten idóneos para alterar gravemente la paz pública o crear un grave sentimiento de inseguridad o temor a la sociedad). Paragraf 510 des Strafgesetzbuchs sieht eine Strafe von zwischen einem und vier Jahren Gefängnis sowie eine Geldstrafe vor.

Amnesty International hat in der Vergangenheit davor gewarnt, dass die Änderungen des Strafgesetzbuchs im Zusammenhang mit terrorismusbezogenen Straftaten einen negativen Einfluss auf die Einhaltung der Menschenrechte haben können. Die Mehrdeutigkeit einiger Paragrafen entspricht nicht dem Prinzip der Rechtmäßigkeit und könnte der Türöffner für die Unterdrückung der Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sein.

Durch die Reformen des spanischen Strafgesetzbuchs im Jahr 2015 wurde die Bandbreite der Straftaten, die als "terroristische Handlungen" betrachtet werden, vergrößert. Teilweise werden sehr vage Formulierungen und sehr weitgefasste Kategorien von Straftaten verwendet. Die Definition von "Terrorismus" wurde erweitert und schließt seitdem "Widerstand" gegen Behörden und die "leichtsinnige", auch unbewusste, Unterstützung eines terroristischen Vorhabens ein.

Der UN-Sonderberichterstatter über Meinungsfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung und andere internationale Menschenrechtgremien fordern, dass das Sprechen über Terrorismus oder über terroristische Handlungen nur in solchen Fällen kriminalisiert werden darf, in denen eine vorsätzliche Anstiftung zum Terrorismus, das heißt ein direkter Aufruf zu terroristischen Handlungen, vorliegt.