Gefangener von Gefängniswärter angeschossen

Demonstration gegen die Änderung der Blasphemie-Gesetze in Hyderabad, Pakistan

Demonstration gegen die Änderung der Blasphemie-Gesetze in Hyderabad, Pakistan

Der in Pakistan inhaftierte Mohammad Asghar ist von einem Gefängniswärter angeschossen und schwer verletzt worden. Er wird derzeit im Krankenhaus behandelt und ist außer Lebensgefahr. Seine Rechtsbeistände fürchten jedoch nach wie vor, dass er getötet werden könnte.

Appell an

PREMIERMINISTER
Nawaz Sharif
Prime Minister House
Pakistan Secretariat, Constitution Avenue
Islamabad
PAKISTAN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 92) 51 922 0404
E-Mail: pmmediaoffice@gmail.com

MINISTERPRÄSIDENT VON PUNJAB
Mian Mohammad Shahbaz Sharif
Chief Minister’s Office
7 Club Road, GOR I
Lahore
PAKISTAN
(Anrede: Dear Chief Minister Sharif / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident von Punjab)
Fax: (00 92) 42 9920 4301
Twitter: https://twitter.com/CMShehbaz

Sende eine Kopie an

MINISTER FÜR RECHT, GESETZ UND MENSCHENRECHTE
Pervaiz Rashid
Room 305, S Block
Pakistan Secretariat
Islamabad
PAKISTAN
Fax: (00 92) 51 921 0062
E-Mail: contact@molaw.gov.pk

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK PAKISTAN
S. E. Herrn Syed Hasan Javed
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030 2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Urdu, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. November 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE, TWITTERNACHRICHTEN UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie alle Anklagen gegen Zaffar Bhatti fallen und heben Sie das Todesurteil gegen Mohammad Asghar auf. Sorgen Sie bitte dafür, dass beide Männer freigelassen und ihre Sicherheit garantiert wird.

  • Stellen Sie bitte die für den Angriff auf Mohammad Asghar Verantwortlichen in einem fairen Verfahren vor Gericht, in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Die derzeitigen Blasphemiegesetze geben Anlass zur Sorge, da sie die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit bedrohen, in böswilliger Absicht in persönlichen Streitigkeiten eingesetzt werden und zur Verfolgung von Muslim_innen und religiösen Minderheiten gleichermaßen führen. Daher möchte ich Sie dringend bitten, die Blasphemiegesetze aufzuheben oder zu reformieren.

  • Amnesty International betrachtet die Todesstrafe als Verstoß gegen das Recht auf Leben und als grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Daher appelliere ich an Sie, umgehend ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen und alle noch anhängigen Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to ensure that the charges against Zaffar Bhatti are dropped, that the conviction of Mohammad Asghar is overturned, and that both men are released, and their safety guaranteed.

  • Urging them to ensure that all those responsible for the attack on Mohammad Asghar are brought to justice in fair trials without recourse to the death penalty.

  • Urging them to reform or repeal the blasphemy laws, which target Muslims and religious minorities alike, as they violate the rights to freedom of expression and freedom of thought, conscience and religion.

  • Calling on them to establish an immediate moratorium on all executions and commute all death sentences with a view to abolishing the death penalty, emphasising that the death penalty is a violation of the right to life and the ultimate cruel, inhuman and degrading punishment.

Sachlage

Am 25. September schoss ein Gefängniswärter dem 70-jährigen Mohammad Asghar in den Rücken, vermutlich mit der Absicht, ihn zu töten. Mohammad Asghar befindet sich im Krankenhaus und sein Zustand ist mittlerweile stabil. Der Gefängniswärter ist von den lokalen Behörden festgenommen und wegen versuchten Mordes angeklagt worden. Acht weitere Gefängniswärter_innen sind vom Dienst suspendiert worden.

Mohammad Asghar ist ein in Pakistan geborener britischer Staatsbürger. Im Jahr 2010 diagnostizierte ein Arzt für Psychiatrie in Schottland bei ihm eine paranoide Schizophrenie. Später zog Mohammad Asghar nach Pakistan, wo er 2014 wegen Blasphemie schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wurde. Trotz der früheren Diagnose auf paranoide Schizophrenie entschied ein Gericht in Pakistan, dass Mohammad Asghar zurechnungsfähig sei. Er befindet sich derzeit im Adiala-Gefängnis in Rawalpindi in der Provinz Punjab im Todestrakt.

Zum Zeitpunkt des Angriffs mit der Schusswaffe war auch Zaffar Bhatti im Gefängnistrakt anwesend, ein christlicher Pastor, der sich seit 2012 unter der Anklage der Blasphemie in Untersuchungshaft befindet. Beide Männer streiten die Anklagen ab. In den Medien wurde zunächst fälschlich berichtet, dass Zaffar Bhatti bei dem Zwischenfall erschossen worden sei. Die Familienangehörigen und Rechtsbeistände der beiden Männer sind nach wie vor in großer Sorge, dass Mohammad Asghar und Zaffar Bhatti angegriffen und getötet werden könnten. In den vergangenen 15 Jahren sind in Pakistan zahlreiche Personen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, darunter auch Muslim_innen, angegriffen und getötet worden, nachdem man sie der Blasphemie beschuldigt hatte.

Blasphemie kann nach pakistanischem Recht mit dem Tod bestraft werden. Die Todesstrafe darf laut Völkerrecht jedoch nur für "schwerste Verbrechen" verhängt werden, zu welchen der Straftatbestand der Blasphemie nicht zählt. Internationalen Standards zufolge darf die Todesstrafe außerdem nicht gegen psychisch kranke Personen verhängt werden. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach den pakistanischen Blasphemiegesetzen sind "Vergehen in Verbindung mit Religion" als Straftaten zu betrachten. Personen, die der Blasphemie bezichtigt werden, laufen Gefahr, von Privatpersonen und Ordnungskräften schikaniert und anderweitig angegriffen zu werden.

Die Beleidigung des islamischen Propheten Mohammed ist laut Paragraf 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuchs mit der Todesstrafe zu ahnden: "Wer durch geschriebene oder gesprochene Worte, durch sichtbare Zeichen, eine mittelbare oder unmittelbare Unterstellung, versteckte Anspielung oder Andeutung den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (der Friede sei mit ihm) besudelt, ist mit dem Tode oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie gegebenenfalls auch durch Verhängung einer Geldbuße zu bestrafen". Das pakistanische Bundes-Schariagericht, das unter anderem die Aufgabe hat, Gesetze auf ihre Konformität mit der islamischen Lehre zu überprüfen, befand 1991, dass Blasphemie mit dem Tode und nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu bestrafen sei. Im Januar 2014 bestätigte es diese Entscheidung.

Die pakistanischen Blasphemiegesetze haben zu einem Klima religiös motivierter Gewalt beigetragen, in dem sowohl religiöse Minderheiten als auch Muslim_innen verfolgt werden. Die Gesetze werden häufig dazu eingesetzt, unbegründete Anschuldigungen zu erheben mit dem Ziel, persönliche Rechnungen in Land- und Geschäftsstreitigkeiten zu begleichen. Die Blasphemiegesetze sind sehr vage formuliert, sodass die Polizei und die Justizbehörden sie oft sehr willkürlich auslegen. Bisher ist in Pakistan noch nie jemand wegen des Straftatbestands der Blasphemie hingerichtet worden. Allerdings hat es in der Vergangenheit öfter Fälle gegeben, in denen Personen, die wegen Blasphemievorwürfen inhaftiert sind, im Gefängnis von Mitinsass_innen oder Beamt_innen getötet worden sind. Auch Personen, die nicht inhaftiert sind und der Blasphemie beschuldigt werden, sind in der Vergangenheit von Gruppen, die sich der Selbstjustiz verschrieben haben, getötet worden. Selbst gegen hochrangige Beamt_innen, die Kritik an den Blasphemiegesetzen geäußert haben, sind Mordanschläge verübt worden.

In Artikel 18 und 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist festgelegt, dass jeder das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. In internationalen Menschenrechtsabkommen ist vorgesehen, dass Personen bei der Ausübung ihrer Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen sein sollten, die das Gesetz vorschreibt und die notwendig und angemessen sind, um unter anderem die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern. Die Blasphemiegesetze entsprechen diesen Vorgaben nicht.

In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 34 des UN-Menschenrechtsausschusses, der die Einhaltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) durch die Vertragsstaaten überwacht, heißt es, dass "Blasphemiegesetze und Gesetze, die den Mangel an Respekt gegenüber einer Religion oder einem Glaubenssystem unter Strafe stellen, mit dem IPbpR unvereinbar sind." Es sei denn es handelt sich um einen Fall nach Artikel 20(2) des IPbpR: "Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten." Diese Gesetze dürfen jedoch nach Ansicht des UN-Menschenrechtsausschusses keinesfalls bestimmte Religionen oder Glaubenssysteme bevorteilen und benachteiligen.