Regisseur verurteilt

Der iranische Regisseur Keywan Karimi ist zu sechs Jahren Haft und 223 Stockhieben verurteilt worden. Unter anderem wurde er wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" und "rechtswidriger Beziehungen" schuldig gesprochen. Er hat ein Rechtsmittel gegen seine Verurteilung eingelegt, welches noch anhängig ist. Sollte er in Verbindung mit seinen friedlichen Aktivitäten inhaftiert werden, würde Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen betrachten.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
Islamic Republic Street –
End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: über die Webseite http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter
Twitter: @khamenei_ir (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office
Number 4, Deadend of 1 Azizi
Above Pasteur Intersection, Vali Asr Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani

The Presidency
Pasteur Street, Pasteur Square
Tehran, IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch) @Rouhani_ir (Persisch)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. März 2016 keine Appelle mehr zu verschicken

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, TWITTER-NACHRICHTEN, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie sicher, dass Keywan Karimi nicht für Anklagen bestraft wird, die auf die friedliche Wahrnehmung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Privatsphäre zurückgehen.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Privatsphäre durch die Artikel 19, 21, 22 und 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geschützt sind, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört.

  • Es bereitet mir große Sorge, dass Verfahren vor Revolutionsgerichten im Iran von Mängeln durchzogen sind und internationalen Standards für faire Verfahren nicht entsprechen. Zudem möchte ich meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass Prügelstrafen gegen das im Völkerrecht festgeschriebene absolute Verbot von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Formen der Behandlung oder Bestrafung verstoßen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Iranian authorites to ensure that Keywan Karimi is not punished for charges that stem from the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and association and privacy.

  • Reminding them that Articles 19, 21 and 22 and Article 17 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), to which Iran is a state party respectively, protect the right to freedom of expression and association and the right to privacy.

  • Expressing concern that Revolutionary Court hearings in Iran are seriously flawed and do not meet international fair trial standards, and that flogging sentences violate the absolute prohibition of torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment under international law.

Sachlage

Keywan Karimi wurde am 13. Oktober 2015 von einem Revolutionsgericht in Teheran zu sechs Jahren Haft und 223 Hieben verurteilt. Das Gericht hatte ihn unter anderem der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" und "rechtswidriger Beziehungen" für schuldig befunden. Laut Amnesty International vorliegenden Informationen hatte man ihm erst bei seiner letzten Anhörung vor Gericht mitgeteilt, dass man ihn wegen eines Musikvideos der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" beschuldigte. Die Behörden hatten das Video auf der Festplatte seines Computers gefunden. Für diesen Anklagepunkt erhielt er sechs Jahre Haft. Der ursprünglich gegen ihn erhobene Anklagepunkt, "Verbreitung von Propaganda gegen das System", wurde in seinem Urteil hingegen nicht erwähnt. Die Anhörung seines Rechtsmittels, bei der Vertreter_innen der Sicherheitskräfte und Geheimdienste anwesend waren, fand am 23. Dezember 2015 statt.

Keywan Karimi war am 14. Dezember 2013 festgenommen und im Zusammenhang mit einem seiner Filme wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" angeklagt worden. In dem Film Neveshtan Rooye Shahr ("Auf der Stadt schreiben") aus dem Jahre 2012 geht es um Graffiti an den Häuserwänden in den Straßen Teherans. Bis auf einen Trailer, der auf YouTube zu sehen war, wurde der Film nie öffentlich ausgestrahlt. Weil er einer Frau, die "ihren Kopf und Nacken nicht bedeckt hatte", "die Hand geschüttelt" und mit ihr "unter einem Dach" gewesen war, erhob man Anklage wegen "rechtswidriger Beziehungen, bei denen es sich nicht um Ehebruch handelt" gegen ihn. Nach seiner Festnahme wurde Keywan Karimi im Evin-Gefängnis in Einzelhaft und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten. Erst nach einer Woche durfte er seine Familie anrufen. Nach zwölf Tagen wurde er gegen Kaution aus der Haft entlassen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Keywan Karimi hat bei zwölf Filmen Regie geführt, darunter Dokumentar- und Spielfilme. Sein Film The Broken Border erhielt beim Internationalen Filmfestival in Beirut 2013 den Preis für die beste Kurzdokumentation. Der Film behandelt das Schmuggeln von staatlich gefördertem Benzin vom Iran in den Irak durch einen verarmten Teil der kurdischen Gemeinschaft in der westlichen Provinz Kurdestan. Ein weiterer Film von Keywan Karimi, The Adventure of a Married Couple, wurde auf Filmfestivals in Freiburg, San Sebastián und Zürich gezeigt.

Keywan Karimi wurde am 14. Dezember 2013 in seiner Wohnung in Teheran von Männern, die vermutlich der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarde angehörten, festgenommen. Sie brachten ihn in das Evin-Gefängnis, wo er in Trakt 2A zwölf Tage lang in Einzelhaft festgehalten wurde. Eine Woche nach seiner Festnahme durfte er seine Familie kurz anrufen. Man verbot ihm jedoch, ihnen zu sagen, dass er festgenommen wurde und wo man ihn festhielt. Erst nach seiner Freilassung gegen Kaution war es ihm möglich, einen Rechtsbeistand zu konsultieren.

Das Verfahren gegen Keywan Karimi begann am 11. Mai 2014 und wurde am 13. Oktober 2015 abgeschlossen. Es fanden sieben Anhörungen statt, die je 15 bis 20 Minuten dauerten. Sein Rechtsbeistand war während des Verfahrens anwesend, das Gericht hatte ihm anscheinend jedoch nicht ausreichend Zeit gegeben, um seine Verteidigung zu präsentieren. Darüber hinaus gibt es Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Schuldspruch und die Verurteilung von Keywan Karimi. In dem finalen Urteil der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts wurde Keywan Karimi weder von dem Vorwurf der "Verbreitung von Propaganda gegen das System" freigesprochen noch erhielt er eine Strafe für diesen Anklagepunkt. Stattdessen erhielt der Regisseur sechs Jahre Haft wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten". Dass diese Anklage gegen ihn erhoben worden war, erfuhr Keywan Karimi erst in der letzten Anhörung seines Verfahrens. Das am 13. Oktober 2015 erlassene Urteil datierte die letzte Anhörung, die am 22. September stattgefunden hatte, zurück. Gegen Keywan Karimi waren noch weitere minderschwere und unzusammenhängende Anklagen erhoben worden.

Körperstrafen wie Prügelstrafen verstoßen gegen das Völkerrecht, welches Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Formen der Behandlung und Bestrafung verbietet.

Das überarbeitete iranische Strafgesetzbuch, das im Mai 2013 in Kraft getreten ist, enthält vage formulierte "Straftaten" wie "Verbreitung von Propaganda gegen das System", "Erregen von Besorgnis in der Öffentlichkeit", "Beleidigung von islamischen Heiligkeiten" und "Diffamierung von Staatsbediensteten". Diese ungenau definierten "Straftaten" werden immer wieder genutzt, um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Derartige Gesetze und Praktiken stellen einen Verstoß gegen Artikel 18, 19, 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) dar, welche die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit schützen. Der Iran gehört zu den Vertragsstaaten des IPbpR.