Terrorismusvorwürfe gegen Gemeindesprecher

Ergebnis dieser Urgent Action

Manuel Trujillo und Manuela Pacheco, die sich in San Pablo de Amalí im Landesinneren von Ecuador für die Rechte ihrer Gemeinde einsetzen, sind am 25. Januar freigesprochen worden. Gegen die beiden waren haltlose Anklagen wegen "organisierten Terrorismus" erhoben worden.

Manuel Trujillo und Manuela Pacheco, die sich in San Pablo de Amalí im Landesinneren von Ecuador für die Rechte ihrer Gemeinde einsetzen, stehen wegen haltloser Terrorismusanklagen vor Gericht. Dies ist offenbar ein Versuch, sie zum Schweigen zu bringen, nachdem sie im Zusammenhang mit dem Bau eines Wasserkraftwerks für ihre Gemeinde das Recht auf Konsultation eingefordert hatten. Ihren Angaben zufolge wird sich das Kraftwerk auf das Recht auf Wasser der Anwohner_innen auswirken.

Appell an

STAATSANWALT DER PROVINZ BOLÍVAR
Dr. Manuel Sanchez Guillén
Fiscalía Provincial de Bolívar
Calle Cándido Rada y 9 de Abril
Guaranda, ECUADOR
(Anrede: Sr. Fiscal Provincial / Dear Fiscal Provincial /
Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 593) 3 2980 619
(00 593) 3 2985 666
(00 593) 3 2984 953

JUSTIZMINISTERIN
Dra. Ledy Zúñiga Rocha
Ministerio de Justicia
Derechos humanos y Cultos
Av. Colón entre Diego de Almagro y Reina Victoria
Quito, ECUADOR
(Anrede: Dear Minister / Señora Ministra /
Sehr geehrte Frau Ministerin)
E-Mail: comunicacion@minjusticia.gob.ec

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSORGANISATION
INREDH
Avenida 10 de Agosto N34-80 y Rumipamba
Piso 1
(Frente a la parada El Florón, del Trolebus)
Quito
ECUADOR

BOTSCHAFT DER REPUBLIK ECUADOR
S. E. Herrn Jorge Enrique Jurado Mosquera
Joachimstaler Straße 10-12
10719 Berlin
Fax: 030 - 800 969 699
E-Mail: info@ecuadorembassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. Februar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Es besorgt mich sehr, dass das Strafverfahren gegen Manuel Trujillo und Manuela Pacheco offenbar nur deshalb eingeleitet wurde, um sie zum Schweigen zu bringen, weil sie in Verbindung mit dem Wasserkraftwerk Hidrotambo das Recht ihrer Gemeinschaft auf angemessene Konsultation gefordert haben.

  • Ich bitte Sie dringend, die haltlosen Anklagen gegen Manuel Trujillo und Manuela Pacheco fallenzulassen.

  • Zwar ist es die Pflicht des Staates, die öffentliche Ordnung zu wahren, jedoch muss dabei das Recht auf friedliche Versammlung gewährleistet bleiben.

Sachlage

Manuel Trujillo und Manuela Pacheco wird "organisierter Terrorismus" vorgeworfen, eine Anklage, die mit einer Höchststrafe von acht Jahren Gefängnis geahndet wird. Das Verfahren soll am 19. Januar beginnen. Die Anklage gegen die beiden Gemeindesprecher_innen steht in Verbindung mit einem Angriff auf vier Polizist_innen, die am 14. August 2012 in einem Fahrzeug unterwegs waren.

Menschenrechtsorganisationen vor Ort erklärten, dass es am Morgen des 14. August in der Provinz Bolívar zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Bewohner_innen von San Pablo de Amalí kam. Anwohner_innen berichteten in diesem Zusammenhang von unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei. Der Angriff auf das Fahrzeug geschah am Abend jenes Tages, als sich einige Anwohner_innen einem Polizisten entgegenstellten, der mit seiner Pistole in die Luft geschossen hatte. Augenzeugenberichten zufolge waren weder Manuel Trujillo noch Manuela Pacheco zum Zeitpunkt des Vorfalls anwesend. Sie befinden sich bis Ende des Gerichtsverfahrens gegen Kaution auf freiem Fuß.

Laut Menschenrechtsorganisationen vor Ort hat die Staatsanwaltschaft keine handfesten Beweise für die Verantwortlichkeit, Mittäterschaft oder gar Anwesenheit von Manuel Trujillo und Manuela Pacheco bei dem Übergriff auf das Polizeifahrzeug vorgelegt. Stattdessen sollen die Anklagen auf Aussagen von Polizist_innen beruhen, denen zufolge die beiden bei dem Angriff anwesend gewesen sein sollen.

Manuel Trujillo und Manuela Pacheco engagieren sich stark in ihrer Gemeinde San Pablo de Amalí. So haben sie jüngst in einer Protestkampagne auf Bedenken der örtlichen Bevölkerung hinsichtlich des Wasserkraftwerks der Firma Hidrotambo und seiner negativen Auswirkungen auf die Wasserversorgung der Gemeinde aufmerksam gemacht. Zudem haben sie öffentlich kritisiert, dass die Betroffenen weder in das Projekt miteinbezogen noch dazu konsultiert wurden. Die nun erhobenen haltlosen Anklagen gegen die beiden Gemeindesprecher_innen scheinen ein Versuch zu sein, sie zum Schweigen zu bringen und der langjährigen Opposition der Anwohner_innen gegen das Wasserkraftwerk ein Ende zu bereiten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Jahr 2002 gewährte Ecuador dem Privatunternehmen Hidrotambo die Lizenz zum Bau eines Wasserkraftwerks nahe San Pablo de Amalí in der Provinz Bolívar. In dem Gebiet leben 70 kleinbäuerliche und indigene Gemeinschaften. Bald darauf äußerten sich die Bewohner_innen von San Pablo de Amalí besorgt über die Auswirkungen des Projekts auf das Recht auf Wasser der Gemeinde. Auch sorgten sie sich um mögliche Vertreibungen aufgrund von Überflutungen und die mangelnde Einbeziehung der Anwohner_innen in das Projekt, besonders hinsichtlich der durchgeführten Umweltverträglichkeitsstudie. Laut Menschenrechtsorganisationen vor Ort kam es zwischen 2006 und 2008 bei Demonstrationen gegen den Bau des Kraftwerks zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den Anwohner_innen und Vertreter_innen des Unternehmens und den Sicherheitskräften. Den Sprecher_innen und Angehörigen der Gemeinde wurden daraufhin Straftaten wie Sabotage, Terrorismus und Rebellion vorgeworfen. So erging es auch Manuel Trujillo, gegen den allein in diesem Zeitraum 30 Gerichtsverfahren eingeleitet wurden. Später wurden die Anklagen gegen ihn im Rahmen einer Amnestie des Kongresses fallengelassen.

Das Wasserkraftprojekt wurde zunächst bis zum Jahr 2012 ausgesetzt, dann aber trotz der anhaltenden Opposition der Gemeinde wieder aufgenommen. Berichten von Anwohner_innen zufolge sollen im Jahr 2012 Vertreter_innen des Unternehmens ohne vorherige Benachrichtigung und ohne ihre Zustimmung ihr Land betreten haben. Mittlerweile ist das Wasserkraftwerk fertig gebaut. Zwar ist es noch nicht in Betrieb genommen, doch der Fluss wurde bereits umgeleitet, sodass er nun näher an den Häusern der Anwohner_innen vorbeifließt. Im März 2015 gab es eine Überschwemmung, in deren Folge drei Menschen ums Leben kamen, zahlreiche Häuser beschädigt wurden und die Feldfrüchte einiger Gemeindemitglieder in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Amnesty International hat sich bereits in der Vergangenheit besorgt gezeigt über das Einleiten haltloser Strafverfahren gegen Sprecher_innen indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden. Diese Maßnahmen scheinen allein darauf abzuzielen, die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Gemeindesprecher_innen mit Anklagen wie z. B. Terrorismus, Sabotage, unerlaubte Versammlung, Entführung, Mord, Raubüberfall, Körperverletzung, widerrechtliches Betreten von Grundstücken und Verkehrsbehinderung überzogen wurden, insbesondere in Verbindung mit Protestveranstaltungen gegen Gesetze und politische Maßnahmen in Bezug auf natürliche Ressourcen. Siehe hierzu den englischsprachigen Bericht 'So that no one can demand anything': Criminalizing the right to protest in Ecuador, online unter: https://www.amnesty.org/es/documents/amr28/002/2012/en, sowie auch Urgent Action 008/2015-1, online unter: www.amnesty.de/urgent-action/ua-008-2015-1/umweltschuetzer-verurteilt.