"Geständnis" im Fernsehen

Es gibt erhöhten Grund zur Sorge um den schwedischen Staatsbürger Peter Dahlin, der sich wegen des Vorwurfs, die "Staatssicherheit zu gefährden", seit dem 3. Januar in Peking in Haft befindet. Der NGO-Mitarbeiter wird in geheimer Haft ohne Zugang zu Rechtsbeiständen und seiner Familie festgehalten, und im chinesischen Fernsehen wurde ein "Geständnis" von ihm ausgestrahlt, in dem er zugibt, "gegen chinesisches Recht" verstoßen zu haben. Seine Freundin wird vermisst und wird möglicherweise ebenfalls in Haft gehalten.

Appell an

LEITER DER BEHÖRDE FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT IN PEKING
Fu Zhenghua Juzhang
Beijingshi Gong'anju
9 Dongdajie, Qianmen
Dongchengqu
Beijingshi 100740
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (00 86) 10 6524 2927

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Guo Shengkun Buzhang
Gong’anbu
14 Dongchang’anjie
Dongchengqu
Beijingshi 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)

Sende eine Kopie an

MINISTERPRÄSIDENT
Li Keqiang Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 10 6596 1109 (über das Außenministerium)

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. März 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte geben Sie umgehend Informationen über den Verbleib und den rechtlichen Status von Peter Dahlin und Pan Jingling bekannt.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass beide unverzüglich uneingeschränkten Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen erhalten und vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt sind.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Peter Dahlin die erforderliche medizinische Versorgung und uneingeschränkten Zugang zu Konsulatsbeamt_innen erhält.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Chinese authorities to immediately disclose the whereabouts and legal status of Peter Dahlin.

  • Calling on them to ensure without delay that he has prompt, unrestricted access to consular officers, his lawyers and family, and is protected from torture and other ill-treatment.

  • Urging the authorities to ensure that Peter Dahlin has access to adequate medical care.

Sachlage

Peter Dahlin wurde am 3. Januar festgenommen, als er gerade auf dem Weg zum Flughafen war. Er ist Mitbegründer der NGO Chinese Urgent Action Working Group, die seit 2009 in China aktiv ist und sich für rechtsstaatliche Prinzipien einsetzt. Dazu gehören Trainings zu rechtsstaatlichen Fragen und juristische Unterstützung bei der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen. Zunächst wurde ihm jegliche konsularische Unterstützung untersagt, in der Zwischenzeit haben Vertreter_innen der schwedischen Botschaft ihn jedoch einmal besuchen können. Am 19. Januar strahlte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua ein Video aus, in dem Peter Dahlin ein "Geständnis" ablegt. Darin sagt er: "Ich habe mit meinen Aktivitäten in China gegen chinesisches Recht verstoßen, ich habe der chinesischen Regierung geschadet, ich habe die Gefühle der chinesischen Bevölkerung verletzt." Es ist möglich, dass er dieses "Geständnis" unter Zwang abgelegt hat.

In dem ausgestrahlten Beitrag wurde zudem gesagt, dass Peter Dahlin unter "häuslicher Bewachung an einem bestimmten Ort" stehe. Bei dieser Form der Inhaftierung werden Personen an informellen Orten festgehalten und haben keinerlei Zugang zu Familienmitgliedern und Rechtsbeiständen. Es hat bereits Fälle gegeben, in denen Gefangene, die unter "häuslicher Überwachung" standen, gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Im Dezember 2015 äußerte der UN-Ausschuss gegen Folter "große Besorgnis" bezüglich dieser Form der Haft in China, die "Haft ohne Kontakt zur Außenwelt" gleichkommen kann, wenn die Betroffenen keinen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen haben.

Die Freundin von Peter Dahlin, Pan Jingling, wird seit dem 3. Januar 2016 vermisst. Aktivist_innen und Journalist_innen konnten ihren Verbleib bisher nicht klären. Es wird befürchtet, dass man sie ebenfalls in geheimer Haft festhält.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im vergangenen Jahr sind in China mehrere weitreichende Gesetze und Bestimmungen in Kraft getreten bzw. als Vorlagen eingebracht worden, um vorgeblich die nationale Sicherheit zu verbessern. Das Gesetz über die Nationale Sicherheit, das am 1. Juli 2015 in Kraft getreten ist, enthält eine weitgefasste und vage Definition für "nationale Sicherheit", die Bereiche wie Politik, Kultur, Finanzen und das Internet umfasst.
Grund zur Besorgnis liefert insbesondere der Gesetzentwurf für ein Management-Gesetz für ausländische NGOs, das, wenn es in der im Mai 2015 zur öffentlichen Konsultation vorgelegten Form verabschiedet würde, den chinesischen Behörden, insbesondere dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit und der Polizei, umfassende Befugnisse für die Überwachung und Kontrolle der Arbeit von NGOs erteilen würde. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass das Gesetz missbraucht würde, um Menschenrechtsverteidiger_innen und Mitarbeiter_innen von NGOs einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. Der nun vorliegende Gesetzentwurf würde außerdem die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einschränken.

Während das Gesetz vorgeblich die Arbeit von ausländischen NGOs regeln und sogar schützen soll, würde es tatsächlich die Aktivitäten und die Existenz mehrerer Organisationen gefährden, die die Umsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen sowie der bürgerlichen und politischen Rechte der Menschen in China fördern. Amnesty International fordert die chinesische Regierung auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und eine neue Vorlage einzubringen, die den menschenrechtlichen Verpflichtungen des Landes entspricht.

Peter Dahlin leidet an der Addison-Krankheit und muss täglich Medikamente einnehmen. Wenn die Krankheit nicht behandelt wird, kann sie zum Tod führen. Die chinesischen Behörden haben zwar angegeben, dass Peter Dahlin die benötigten Medikamente erhält, aber da ihm bisher keine Besuche erlaubt wurden – weder von seiner Familie noch von einem Rechtsbeistand oder Vertreter_innen der schwedischen Botschaft – kann niemand bestätigen, ob er die Medikamente tatsächlich erhält. Nach den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen, die 2015 überarbeitet wurden, müssen Hafteinrichtungen den Gefangenen ohne Diskriminierung die angemessene medizinische Versorgung gewährleisten bzw. ermöglichen, dass sie in eine fachärztlich betreute Einrichtung oder ein Krankenhaus überstellt werden.
Die Inhaftierung von Peter Dahlin steht im Kontext eines beispiellos harten Vorgehens gegen Menschenrechtsanwält_innen und deren Unterstützer_innen, wobei 250 Personen im Visier der Behörden sind und 23 sich in Polizeigewahrsam befinden. Bei neun Personen wurde die Inhaftierung bislang offiziell bestätigt.