Amnesty Report Mexiko 20. Mai 2017

Mexiko 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Zehn Jahre nach Beginn des sogenannten Krieges gegen Drogen und das organisierte Verbrechen wurden weiterhin Militärangehörige bei Operationen eingesetzt, die der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit dienen sollten. Gewalt war noch immer im ganzen Land verbreitet. So trafen weiterhin Berichte über Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, außergerichtliche Hinrichtungen und willkürliche Inhaftierungen ein. Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen blieben nach wie vor straflos. Mexiko verzeichnete die höchste jemals registrierte Anzahl von Asylanträgen. Sie wurden zumeist von Menschen gestellt, die vor der Gewalt in El Salvador, Honduras und Guatemala geflohen waren. Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Beobachter waren heftigen Verleumdungskampagnen ausgesetzt. Die Gewalt gegen Frauen gab weiterhin Anlass zu größter Sorge. In den Bundesstaaten Jalisco und Michoacán wurde der Mechanismus für Notfallmaßnahmen in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt (Alerta de Género) aktiviert. Der Kongress wies einen der beiden Gesetzentwürfe ab, auf deren Grundlage gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Eheschließung und Adoption von Kindern eingeräumt werden sollte.

HINTERGRUND

Die regierende Partei der Institutionalisierten Revolution (Partido Revolucionario Institucional) musste bei den im Juni 2016 durchgeführten Gouverneurswahlen das höchste Regierungsamt in mehreren Bundesstaaten an die Opposition abgeben. Ein schon länger andauernder sozialer Konflikt zwischen der Regierung und Lehrergewerkschaften führte zu Massenprotesten und der Blockade von Fernverkehrsstraßen im ganzen Land. Die Gewerkschaften forderten von der Regierung, die im Jahr 2013 durchgeführte Reform des Bildungssystems rückgängig zu machen.

Nach einer achtjährigen Vorbereitungsphase schloss Mexiko den Übergang von einem schriftlichen inquisitorischen Strafrechtssystem zu einem auf mündlichen Gerichtsverhandlungen basierenden System ab. Viele Probleme des vorher bestehenden Systems machten sich jedoch weiterhin bemerkbar. Trotz der Umsetzung der Reform wurde z. B. das Prinzip der Unschuldsvermutung noch immer nicht ausreichend respektiert.

Ein im November 2014 von Präsident Enrique Peña Nieto angekündigter Zehn-Punkte-Sicherheitsplan war noch nicht vollständig umgesetzt worden. So wurden die versprochenen Gesetze gegen Folter und Verschwindenlassen durch staatliche wie auch nichtstaatliche Akteure bisher noch nicht erlassen. Ein vom Kongress verabschiedetes Gesetzespaket über Antikorruptionsmaßnahmen stieß auf weitverbreitete Kritik, weil es hinter früheren Gesetzentwürfen zurückblieb.

Offiziellen Aufzeichnungen zufolge erhöhte sich die Zahl der Armee- und Marinesoldaten, die in allen Teilen des Landes bei Sicherheitsoperationen eingesetzt wurden. Im Oktober 2016 gab der Verteidigungsminister zu, dass der Krieg gegen die Drogen seine Opfer bei den ausgelaugten Streitkräften gefordert habe, und erhob die Forderung nach mehr rechtlicher Klarheit in Bezug auf deren Rolle bei Aufgaben der öffentlichen Sicherheit. Die Gesetzgeber sicherten zu, über Reformen zur Beteiligung der Streitkräfte an Sicherheitsoperationen zu debattieren.

POLIZEI UND SICHERHEITSKRÄFTE

Die Anzahl der Gewaltverbrechen stieg deutlich an. So registrierten die Behörden bis Ende November 2016 insgesamt 36056 Tötungsdelikte, verglichen mit 33017 im Jahr 2015. Dies war die höchste Zahl seit dem Amtsantritt von Präsident Peña Nieto im Jahr 2012.

Als Reaktion auf die weitverbreiteten Proteste der Lehrergewerkschaften führten die Behörden mehrere Polizeieinsätze durch. Bei einigen dieser Einsätze wurden Zivilpersonen verletzt oder getötet. Mehrere Gewerkschaftsführer wurden festgenommen und in Bundesgefängnissen inhaftiert. Viele von ihnen kamen später bis zum Abschluss weiterer Ermittlungen wieder frei.

AUßERGERICHTLICHE HINRICHTUNGEN

Die Verantwortlichen für außergerichtliche Hinrichtungen genossen weiterhin Straffreiheit; die Verbrechen wurden nicht angemessen untersucht. Unter Verstoß gegen die Bestimmungen des im Jahr 2014 reformierten Militärstrafgesetzbuchs war das Militär weiterhin an den Ermittlungen in Fällen gegen Armeeangehörige beteiligt. Die Behörden gaben im dritten Jahr in Folge die Zahl der Personen nicht bekannt, die bei Zusammenstößen mit der Polizei und dem Militär getötet oder verletzt wurden.

Im ganzen Land wurden zahlreiche Massengräber freigelegt. Dies geschah häufig auf Initiative betroffener Familien und nicht auf Anordnung der Behörden oder offizieller Gerichtsmediziner. Die lokalen Behörden der Ortschaft Tetelcingo (Bundesstaat Morelos) hatten sich widerrechtlich 100 nicht identifizierter Leichen entledigt, indem sie sie in mindestens einem Massengrab verscharrten. Die für die Tötungen Verantwortlichen blieben weiterhin unbekannt.

Am 19. Juni 2016 wurden während eines Polizeieinsatzes in der Stadt Asunción Nochixtlán (Bundesstaat Oaxaca) mindestens acht Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt. Zuvor war im Rahmen einer Demonstration gegen die Bildungsreform der Regierung eine Straßensperre errichtet worden. In den Medien veröffentlichte Videoaufzeichnungen widerlegten die zunächst von den Behörden verbreitete Version, dass die Polizisten unbewaffnet gewesen seien.

Im August 2016 legte die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos – CNDH) einen Untersuchungsbericht vor, der die Feststellung enthielt, dass Einsatzkräfte der Bundes- und Gemeindepolizei im Mai 2015 im Rahmen einer Sicherheitsoperation mindestens zwei Personen im Ort Tanhuato (Bundesstaat Michoacán) gefoltert hätten und mindestens 22 von den bei diesem Einsatz getöteten 43 Personen Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen geworden seien. Zudem habe die Polizei Beweismittel manipuliert, u. a. indem sie den Betroffenen Schusswaffen untergeschoben hätte.

Untersuchungen zu der Tötung von 22 Personen durch Soldaten in Tlatlaya (Bundesstaat México) im Jahr 2014 erbrachten im Berichtsjahr noch keine konkreten Ergebnisse. Die Behörden übernahmen keine Verantwortung für den Befehl, Kriminelle "fertigzumachen" (abatir criminales), womit in diesem Zusammenhang "zu töten" gemeint war. Dieser Befehl war die Grundlage der damals in diesem Gebiet durchgeführten Militäreinsätze. Die Behörden leiteten auch keine Ermittlungen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte mit Befehlsverantwortung ein.

Soweit bekannt, wurden bisher keine Strafverfahren wegen der im Jahr 2015 in Apatzingán (Bundesstaat Michoacán) erfolgten Tötung von 16 Personen durch Angehörige der Bundespolizei und andere Sicherheitskräfte eingeleitet. Die Behörden hatten die Tötungen weder angemessen untersucht noch geprüft, ob sich befehlshabende Personen schuldig gemacht hatten.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Es herrschte fast uneingeschränkte Straflosigkeit für die Anwendung von Folter und anderen Misshandlungen. Zahlreiche Berichte über von Polizei und Militär während ihrer Einsätze angewandte Gewalt trafen ein. Hierzu zählten z. B. Prügel, Erstickungsfolter mit Plastiktüten, Elektroschocks, Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe. Sexualisierte Gewalt als eine Form von Folter war alltägliche Praxis bei der Festnahme von Frauen. Im April 2016 kündigte die Generalstaatsanwaltschaft (Procuraduría General de la República) an, dass gegen fünf Angehörige der Bundespolizei Anklage wegen Folter erhoben würde. Dies war eine Reaktion auf ein vor zwei Jahren an die Öffentlichkeit gelangtes Video, das Polizisten und Militärangehörige bei der Folterung einer Frau zeigte. Gleichfalls im April ereignete sich der seltene Fall, dass ein Bundesrichter einen Armeegeneral zu 52 Jahren Gefängnis verurteilte, weil dieser im Jahr 2008 einen Einsatz im Bundesstaat Chihuahua angeordnet hatte, bei dem es zu Folter und Mord sowie zur Verbrennung eines Leichnams gekommen war.

Ebenfalls im April 2016 verabschiedete der Senat den Entwurf eines Antifoltergesetzes (Ley General de Tortura), der internationalen Standards entsprach. Über den Entwurf muss nunmehr noch das Abgeordnetenhaus abstimmen.

Die Spezialeinheit zur Ermittlung in Fällen von Folter (Unidad Especializada en Investigación del Delito de Tortura) der Generalstaatsanwaltschaft gab bekannt, dass ihr landesweit 4715 Strafanzeigen wegen Folter zur Überprüfung vorlägen.

Wie schon in den Vorjahren fand das für Fälle mutmaßlicher Folter vorgesehene spezielle medizinische Untersuchungsverfahren des forensischen Dienstes der Generalstaatsanwaltschaft in den meisten Fällen keine Anwendung. Der Rückstand diesbezüglicher Anträge belief sich auf über 3000 Fälle. In vielen Fällen konnten Ermittlungen über Folter und andere Misshandlungen nicht fortgeführt werden, weil keine offiziellen medizinischen Untersuchungsergebnisse vorlagen.

Im September 2016 verwies die Interamerikanische Menschenrechtskommission den Fall von elf Frauen, bei denen im Jahr 2006 in San Salvador Atenco sexualisierte Gewalt als Foltermethode angewandt worden war, an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, da Mexiko in diesem Fall nicht den Empfehlungen der Kommission nachgekommen war.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN

Mit 6898 bis November 2016 gestellten Asylanträgen wurde die bislang höchste Zahl seit den 1980er Jahren verzeichnet. 93 % der Antragsteller kamen aus El Salvador, Honduras und Guatemala. 2162 Personen wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt, obwohl Schätzungen zufolge jedes Jahr 400000 Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus die südliche Grenze Mexikos überqueren, von denen laut internationalen Organisationen und Universitäten die Hälfte asylberechtigt sein könnte. In der Mehrzahl der Fälle informierten die Behörden die Migranten nicht ausreichend über ihr Recht, in Mexiko Asyl zu beantragen.

Im August 2016 trat eine Verfassungsreform zur Anerkennung des Asylrechts in Kraft.

Die Umsetzung des Programms Südgrenze (Programa Frontera Sur) hatte erneut eine Intensivierung der Sicherheitsoperationen an der Grenze zu Guatemala und Belize zur Folge. In diesem Zusammenhang trafen häufig Berichte über Erpressungen, Massenabschiebungen, Entführungen und andere Menschenrechtsverstöße gegen Migranten ein. Bis November 2016 wurden 174526 Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus festgenommen und inhaftiert und 136420 in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. 97 % der Abgeschobenen stammten aus Mittelamerika. Im Februar 2016 wurden aus dem US-Kongress Informationen bekannt, wonach die US-Regierung plante, im Rahmen der Mérida-Initiative 75 Mio. US-Dollar zur Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen und zur Kontrolle der Migration an der Südgrenze Mexikos zur Verfügung zu stellen.

Die Generalstaatsanwaltschaft richtete eine neue Abteilung für die Untersuchung von Verbrechen gegen Migranten (Unidad de Investigación de Delitos para Personas Migrantes) ein. Zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligten sich an der Planung eines Mexikanischen Unterstützungsmechanismus (Mecanismo de Apoyo Exterior Mexicano de Búsqueda e Investigación), der die Bemühungen der mexikanischen und zentralamerikanischen Behörden koordinieren soll, Migranten zu ihrem Recht zu verhelfen, die in Mexiko Opfer des Verschwindenlassens durch nichtstaatliche Akteure oder anderer Verbrechen werden.

Im September 2016 kündigte Präsident Peña Nieto auf dem UN-Gipfeltreffen einen Plan für Flüchtlinge an und bestätigte offiziell, dass es in Mexiko und Zentralamerika eine Flüchtlingskrise gebe. Der Plan sieht vor, die finanziellen Mittel der mexikanischen Flüchtlingsbehörde (Comisión Mexicana de Ayuda a Refugiados) um 80 % aufzustocken und zu gewährleisten, dass minderjährige Migranten unter elf Jahren nicht inhaftiert werden. Zudem sollen Inklusion und Integration von Flüchtlingen im Land gefördert werden. Im Mai 2016 war in einem Sonderbericht der CNDH die Anzahl der Binnenvertriebenen in Mexiko mit mindestens 35433 angegeben worden. Andere glaubwürdige, auf offiziellen Statistiken basierende Schätzungen hatten die entsprechende Anzahl auf mindestens das Vierfache beziffert. Im Oktober veröffentlichte die CNDH einen Bericht, der auf die prekären Lebensbedingungen in den Haftzentren für Migranten aufmerksam machte. Insbesondere für unbegleitete Minderjährige herrschten dort unzumutbare Zustände.

VERSCHWINDENLASSEN

Auch weiterhin wurden Personen Opfer des Verschwindenlassens. Die Verantwortung trugen sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure. Die Täter genossen nach wie vor fast uneingeschränkte Straflosigkeit. Die Ermittlungen in Fällen von vermissten Personen waren weiterhin mangelhaft und wurden unnötig verzögert. Im Allgemeinen nahmen die Behörden in solchen Fällen nicht sofort die Suche nach den Opfern auf.

Zum Jahresende 2016 waren laut Angaben der Regierung 29917 Personen als vermisst gemeldet, davon 22414 Männer und 7503 Frauen. Die Zahlenangaben des Nationalen Registers der vermissten und verschwundenen Personen (Registro Nacional de Datos de Personas Extraviadas o Desaparecidas) schlossen weder Fälle aus den Jahren vor 2014 ein noch Fälle, die als andere Straftaten wie Geiselnahme und Menschenhandel klassifiziert worden waren.

Fälle des Verschwindenlassens durch sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure verursachten bei den Familienangehörigen der Betroffenen schwere seelische Belastungen, die als eine Art von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe angesehen werden konnten. Die verfügbaren Daten zeigten, dass die meisten der Opfer Männer waren, während Frauen die Mehrheit derjenigen ausmachten, die sich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung einsetzten. Einige Angehörige von "verschwundenen" Personen, die auf der Suche nach ihren Familienangehörigen waren, erhielten Morddrohungen.

Der Senat führte öffentliche Anhörungen mit Verwandten "verschwundener" Personen zum Allgemeinen Gesetz über das Verschwindenlassen (Ley General de Desapariciones Forzadas) durch, das Präsident Peña Nieto dem Kongress im Dezember 2015 unterbreitet hatte. Der Gesetzentwurf war im Kongress noch anhängig.

Im März 2016 wurden fünf Marinesoldaten wegen des Verschwindenlassens von Armando del Bosque Villarreal angeklagt. Er war einige Wochen nach seiner willkürlichen Inhaftierung im Jahr 2013 im Bundesstaat Nuevo León tot aufgefunden worden.

Im April 2016 veröffentlichte die Interdisziplinäre Gruppe Unabhängiger Experten (Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes – GIEI), deren Mitglieder von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ernannt worden waren, ihren zweiten Bericht über den Fall der 43 Studierenden der Lehrerausbildungsstätte in Interozeanischen (Bundesstaat Guerrero), die im September 2014 Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. Die GIEI bestätigte, dass die Behauptung der Behörden, die Studierenden seien getötet und in einer lokalen Mülldeponie verbrannt worden, wissenschaftlich unhaltbar sei. Die von der GIEI durchgeführten Untersuchungen hatten auch ergeben, dass im Oktober 2014 einige Staatsbedienstete ohne entsprechende Anordnung einen Ort aufgesucht hätten, der später mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht wurde. Sie wären außerdem ohne ordnungsgemäße Befugnis und Dokumentation mit wichtigem Beweismaterial umgegangen. Die Behörden zwangen einen Mann, der im Zusammenhang mit dem Fall inhaftiert war, an einer Ortsbegehung teilzunehmen, ohne dass sein Anwalt anwesend war oder eine richterliche Überwachung stattfand. Die Begehung erfolgte einen Tag, bevor Regierungsbeamte an diesem Ort ein kleines Knochenstück fanden, das später als Teil des Skeletts des Studierenden Alexander Mora Venancio identifiziert wurde. Der Beamte, der die Ermittlungen leitete, trat von seinem Amt in der Generalstaatsanwaltschaft zurück, obwohl die gegen ihn laufende interne Untersuchung noch nicht abgeschlossen war. Präsident Peña Nieto nominierte ihn sofort für ein anderes hohes Amt auf Bundesebene. Angesichts der Empfehlungen der GIEI und der im Jahr 2014 von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission angeordneten Schutzmaßnahmen, die Mexiko verpflichteten, den Status und den Verbleib der vermissten 43 Studierenden festzustellen, präsentierte die Interamerikanische Menschenrechtskommission im November 2016 ihren Arbeitsplan für einen Folgemechanismus den Ayotzinapa-Fall betreffend.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER UND JOURNALISTEN

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden weiterhin bedroht, drangsaliert, eingeschüchtert, angegriffen oder sogar getötet. Im Laufe des Jahres 2016 wurden mindestens elf Journalisten ermordet. Der Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten (Mecanismo de Protección para Personas Defensoras de Derechos Humanos y Periodistas), welcher der Bundesregierung untersteht, gewährte Menschenrechtsverteidigern und Journalisten nur unzureichenden Schutz. Im Februar 2016 prangerten internationale Menschenrechtsorganisationen die Verleumdungskampagne an, die gegen die GIEI und gegen im Ayotzinapa-Fall engagierte lokale NGOs geführt wurde. Die Behörden schienen diese Kampagne zu tolerieren. Die Anzahl der Anträge auf Schutzmaßnahmen im Rahmen des Mechanismus blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

Im Juli 2016 verklagte der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Coahuila und ehemalige Präsident der Partei der Institutionalisierten Revolution, Humberto Moreira Valdés, den bekannten Journalisten Sergio Aguayo in einer privatrechtlichen Klage auf Zahlung von 550000 US-Dollar. Humberto Moreira Valdés machte geltend, sein Ruf sei durch einen von dem Journalisten veröffentlichten Kommentar beschädigt worden. Die unverhältnismäßig hohe Summe könnte eine Form der Bestrafung oder Einschüchterung darstellen, die möglicherweise negativen Einfluss auf die Meinungsfreiheit in öffentlichen Debatten in Mexiko hat.

Im August wurde der gewaltlose politische Gefangene und Umweltaktivist Ildefonso Zamora freigelassen, nachdem er neun Monate auf der Grundlage konstruierter Anschuldigungen im Gefängnis verbracht hatte.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Der Oberste Gerichtshof prüfte weiterhin einen Rechtsbehelf gegen das seit 2014 in Mexiko-Stadt geltende Gesetz über Bewegungsfreiheit (Ley de Movilidad). Im August 2016 stellte er in einem Urteil fest, das Gesetz sei nicht so auszulegen, als werde damit ein Verfahren zur vorherigen Genehmigung von Demonstrationen eingeführt. Das Gesetz über Bewegungsfreiheit verlange lediglich, die Behörden vor der Durchführung einer jeden Demonstration zu informieren. Das Gericht befand zudem, dass das Fehlen von Bestimmungen über spontane Demonstrationen nicht bedeute, dass solche Aktionen in irgendeiner Weise verboten seien. Schließlich sprach sich der Gerichtshof für eine Bestimmung zum Verbot von Protesten auf den wichtigsten Verkehrsstraßen der Stadt aus.

RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN

Im Mai 2016 präsentierte Präsident Peña Nieto dem Kongress zwei Gesetzentwürfe zur Reform der Verfassung und des Zivilgesetzbuchs (Código Civil Federal). Der Kongress lehnte die vorgeschlagene Verfassungsreform, die das ausdrückliche Recht auf Eheschließung ohne Diskriminierung vorsah, im November ab.

Der zweite Änderungsvorschlag des Zivilgesetzbuchs würde Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität verbieten, indem allen Paaren das Recht auf Eheschließung gewährt und allen Personen erlaubt wird, Kinder zu adoptieren. Die Reform sieht auch das Recht von Transgeschlechtlichen auf Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität in Mexiko vor. Der Gesetzentwurf muss noch im Kongress debattiert werden.

Im September wurde die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Recht gleichgeschlechtlicher Paare bestätigte, ohne Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität zu heiraten und Kinder zu adoptieren, für alle Richter im Land verbindlich.

GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen waren nach wie vor im ganzen Land verbreitet. Im April 2016 demonstrierten mehrere Tausend Menschen in allen Teilen des Landes und forderten ein Ende der Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexueller Belästigung. Der Mechanismus für Notfallmaßnahmen in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt (Alerta de Género) wurde in den Bundesstaaten Jalisco und Michoacán aktiviert, nachdem er im Vorjahr bereits in den Bundesstaaten Morelos und México in Gang gesetzt worden war. Das Fehlen genauer, aktueller und aufgeschlüsselter Daten über geschlechtsspezifische Gewalt stellte eines der größten Hindernisse bei der effektiven Bekämpfung des Problems der Gewalt gegen Frauen dar.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Der Oberste Gerichtshof lehnte es ab, über die Auswirkung des Bergbaugesetzes von 1991 auf die Rechte indigener Gemeinschaften zu entscheiden, nachdem er kurzfristig vom Wirtschaftsministerium die Information erhalten hatte, dass zwei Bergbaulizenzen für das Gebiet der indigenen Gemeinschaft von San Miguel Progreso (Bundesstaat Guerrero) von den Unternehmen widerrufen worden waren. Der gesetzliche Rahmen zum Schutz des Rechts indigener Bevölkerungsgruppen auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Entwicklungsprojekten, die sie betreffen, wurde in der gesetzgeberischen Debatte kaum thematisiert, obwohl ein entsprechender Gesetzesvorschlag bereits in öffentlichen Foren diskutiert worden war und die CNDH dem Kongress im Oktober 2016 nahegelegt hatte, diesbezüglich eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Im September erlaubte die indigene Gemeinde Guevea de Humboldt im Bundesstaat Oaxaca den zu ihrer Gemeinschaft gehörenden Frauen zum ersten Mal, bei den Kommunalwahlen ihr Wahlrecht auszuüben.

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