Amnesty Report Rumänien 09. Juni 2016

Rumänien 2016

 

Roma litten weiterhin unter Diskriminierung, rechtswidrigen Zwangsräumungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Nachdem der US-Senat Ende 2014 einen Bericht über das CIA-Programm für Geheimgefängnisse veröffentlicht hatte, wurde eine neue Untersuchung zur Beteiligung Rumäniens an diesem Programm eingeleitet. Im April 2015 überprüfte der UN-Ausschuss gegen Folter Rumänien zum ersten Mal seit 18 Jahren.

Im November 2015 trat Ministerpräsident Victor Ponta nach landesweiten Protesten zurück. Auslöser der Proteste war eine Brandkatastrophe in einer Diskothek in der Hauptstadt Bukarest am 30. Oktober, bei der 63 Menschen starben. Es wurde eine Regierung aus Fachleuten unter Leitung von Dacian Ciolos gebildet, die bis zu den Parlamentswahlen im Dezember 2016 im Amt bleiben soll.

Diskriminierung von Roma

Roma waren weiterhin systematischer Diskriminierung ausgesetzt und wurden Opfer exzessiver Gewalteinsätze der Ordnungskräfte sowie anderer Hassverbrechen. In der öffentlichen Debatte und in politischen Reden waren feindselige Äußerungen über Roma weiterhin an der Tagesordnung. Der Oberste Rat der Magistratur, der die Berufsaufsicht über die Richter ausübt, untersuchte den Zugang von Roma und anderen schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zur Rechtsprechung. In einem Bericht kam er zu dem Ergebnis, dass es im Justizwesen kein ausreichendes Bewusstsein für Diskriminierung gebe und die gesetzlichen Regelungen zur Rechtshilfe nicht sicherstellten, dass sich Roma und andere schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen einen Rechtsbeistand leisten können. Der UN-Sonderberichterstatter über Menschenrechte und extreme Armut wies nach seinem Besuch im November 2015 darauf hin, dass die Diskriminierung der Roma von offizieller Seite ignoriert werde, und äußerte seine Sorge über die ständige Praxis, das Recht auf Wohnen der Roma zu verletzen. Im Januar 2015 wurde eine neue Strategie für die Jahre 2015–20 zur Inklusion rumänischer Staatsbürger aus der Bevölkerungsgruppe der Roma beschlossen.

Recht auf Wohnen

Im April 2015 erklärte das Bezirksgericht Cluj-Napoca eine von der Stadtverwaltung Cluj-Napoca erlassene Abrissverfügung für rechtswidrig. Die Stadt hatte im Dezember 2010 beschlossen, etwa 300 Roma aus dem Stadtzentrum zu vertreiben. Sie mussten innerhalb von 24 Stunden ihre Unterkünfte verlassen und wurden auf einem Grundstück in der Nähe der städtischen Mülldeponie angesiedelt. Nach Ansicht des Gerichts war die Verfügung nicht ausreichend begründet. Außerdem hätten die Behörden die Betroffenen vorab nicht einbezogen, ihnen keine angemessenen Alternativunterkünfte angeboten und dem Präfekten nicht genug Zeit eingeräumt, um die Rechtmäßigkeit der Verfügung zu prüfen.

In Eforie Sud im Kreis Constanta waren 30 Roma, von denen die Hälfte minderjährig war, Ende 2015 noch immer von Zwangsräumung bedroht. Die Behörden hatten angeordnet, dass sie das Gebäude in öffentlichem Besitz verlassen müssten, in dem sie im Oktober 2013 untergekommen waren, nachdem sie zuvor aus einer informellen Siedlung vertrieben worden waren, in der sie jahrelang gelebt hatten.

Im Juli 2015 mussten 22 Roma, darunter fünf Minderjährige, auf Anordnung der Behörden ihre Unterkünfte in der informellen Siedlung Pirita in Baia Mare räumen. Die lokalen Behörden gaben an, den Abrissarbeiten liege eine politische Entscheidung zugrunde. Danach sollen Häuser, die ohne Baugenehmigung auf öffentlichen Grundstücken in Craica, Pirita, Ferneziu und Garii errichtet wurden, ausfindig gemacht und abgerissen werden. Es handelte sich dabei ausnahmslos um informelle Siedlungen, in denen vor allem Roma lebten.

Polizei und Sicherheitskräfte

Im Mai 2015 äußerte der UN-Ausschuss gegen Folter seine Sorge darüber, dass Roma weiterhin Opfer rassistisch motivierter Straftaten wurden, zu denen auch die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch die Polizei gehörte, die zu Todesfällen in Gewahrsam führte. Im Januar 2015 befasste sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einem Polizeieinsatz gegen Roma in Apalina im Kreis Mures¸ im Jahr 2006, bei dem 21 Personen Verletzungen erlitten, darunter Schusswunden. Nach Ansicht des Gerichts verstieß das Vorgehen der Polizei gegen das Recht auf Leben und gegen das Recht auf Schutz vor menschenunwürdiger Behandlung und Diskriminierung.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Nachdem der US-Senat Ende 2014 einen Bericht über das Inhaftierungs- und Verhörprogamm der CIA veröffentlicht hatte, räumte Ioan Talpes¸, der einstige Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten Ion Iliescu, ein, Rumänien habe der CIA gestattet, "ein oder zwei" Geheimgefängnisse auf seinem Hoheitsgebiet zu betreiben. Talpes¸ sagte, "wahrscheinlich" seien in den Jahren 2003 bis 2006 Menschen in Rumänien inhaftiert und misshandelt worden. Er habe den damaligen Präsidenten über die CIA-Aktivitäten informiert. Der Generalstaatsanwalt teilte im Januar 2015 mit, es sei eine Untersuchung bezüglich der Vorwürfe eingeleitet worden.

Im Fall des im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay inhaftierten Abd al-Rahim al-Nashiri hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Ende 2015 noch kein Urteil gefällt. Der saudi-arabische Staatsbürger hatte eine Beschwerde gegen Rumänien eingelegt und darin den Vorwurf erhoben, er sei zwischen 2004 und 2006 in Bukarest in geheimer Haft festgehalten worden.

Im September 2015 forderte eine Delegation des Europäischen Parlaments die rumänische Regierung auf, den Berichten über ein CIA-Geheimgefängnis auf ihrem Hoheitsgebiet wirksam nachzugehen. Die Delegation war zuvor daran gehindert worden, ein Gebäude in Bukarest zu betreten, in dem sich ein Geheimgefängnis befunden haben soll.

Folter und andere Misshandlungen

Im Mai 2015 kritisierte der UN-Ausschuss gegen Folter die Behandlung und die Lebensbedingungen von Menschen mit geistiger Behinderung in psychiatrischen Einrichtungen. Der Ausschuss bemängelte außerdem, dass zu Tausenden Todesfällen in den Heimen aus den vergangenen zehn Jahren immer noch keine Untersuchungen stattgefunden hatten. Obwohl die Regierung bereits vor langer Zeit versprochen habe, die Zahl der Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, die in psychiatrischen Anstalten untergebracht sind, zu reduzieren, würden landesweit immer noch allein ca. 25 000 Minderjährige in 717 derartigen Einrichtungen leben.

Der Ausschuss wies auf Mängel bei polizeilichen Hafteinrichtungen hin und beklagte, dass Fälle von Folter und anderen Misshandlungen nur selten zu strafrechtlicher Verfolgung und zu Verurteilungen führten. Außerdem empfahl er, ein unabhängiges Beschwerdeorgan für Übergriffe durch Ordnungskräfte einzurichten.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Asylsuchende mussten 2015 weiterhin zahlreiche Hürden überwinden, um Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Abgelehnte Asylbewerber und sogenannte Dublin-Rückkehrer (Asylsuchende, die nach den Regelungen des Dublin-III-Abkommens von einem EU-Staat in einen anderen rückgeführt werden sollen) wurden nach wie vor ohne Grundlage in Gewahrsam gehalten. Anerkannte Flüchtlinge stießen beim Zugang zu Bildung, Unterkunft und Gesundheitsversorgung auf Probleme.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2015 beantragten etwa 900 Personen in Rumänien Asyl. 2014 waren im gleichen Zeitraum 1150 Asylanträge gestellt worden. Rumänien sprach sich gegen eine verbindliche Quotenregelung auf europäischer Ebene aus, wonach Personen, die internationalen Schutz benötigen, aus Griechenland, Italien und anderen EU-Ländern umverteilt werden sollten. Ein entsprechender Beschluss, den die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im September 2015 fasste, sah für Rumänien die Aufnahme von 6351 Flüchtlingen innerhalb von zwei Jahren vor.

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