Amnesty Report 04. Mai 2015

Guinea 2015

 

Das Land war von einem der schwersten Ausbrüche der Ebola-Infektion seit Entdeckung des Virus im Jahr 1976 betroffen. Im Kampf gegen die weitere Verbreitung des Virus mangelte es an vielen dringend benötigten Ressourcen. Die Sicherheitskräfte gingen regelmäßig mit exzessiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vor. Journalisten waren Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Der UN-Ausschuss gegen Folter und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte kritisierten die schlechten und unmenschlichen Haftbedingungen sowie Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen. Von der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2009 eingeleitete Vorermittlungen waren Ende 2014 noch nicht abgeschlossen.

Hintergrund

In Guinea kam es zu einem schweren Ebola-Ausbrüche, der schnell auf die Nachbarländer übergriff. Bis Ende 2014 starben mindestens 1700 Menschen an dem Virus, davon mindestens 70 Angehörige des medizinischen Personals.

Im September 2013 fanden die mehrfach verschobenen Parlamentswahlen statt. Dabei kam es vor und nach den Wahlen gewaltsame Zusammenstöße zwischen Anhängern rivalisierender politischer Parteien. Internationale Wahlbeobachter berichteten von Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen.

Die Bestätigung des Wahlergebnisses durch den Obersten Gerichtshof ca. zwei Monate nach den Wahlen löste Proteste aus. Es wurden Betrugsvorwürfe laut. Im Januar 2014 wurde der amtierende Ministerpräsident Mohamed Saïd Fofana erneut ins Amt berufen. Die neue Regierung nahm ihre Amtsgeschäfte auf. Die Nationalversammlung trat 2014 zum ersten Mal unter dem neuen Parlamentspräsidenten Kory Kondiano zusammen.

Internationale Kontrolle

Der UN-Ausschuss gegen Folter und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) überprüften die Lage der Menschenrechte in Guinea. Das UNHCHR berichtete, dass Gefängnisinsassen und andere Gefangene in schmutzigen und überfüllten Hafteinrichtungen festgehalten wurden, die weit hinter internationalen Standards zurückblieben.

In einigen Fällen waren Minderjährige mit Erwachsenen zusammengesperrt, und es gab keine Frauengefängnisse. Das UNHCHR dokumentierte außerdem, dass elf Menschen in der Haft starben, weil sie nicht medizinisch versorgt worden waren. Der UN-Ausschuss gegen Folter äußerte sich besorgt über die Folterungen in der jüngsten Vergangenheit, die Haftbedingungen sowie die unter Folter erzwungenen "Geständnisse " und kritisierte, dass Folterer keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten mussten.

Exzessive Gewaltanwendung

In der Hauptstadt Conakry sowie in anderen Städten und der Region Guinée Forestière (Südost-Guinea) gingen Polizei und Gendarmerie nach wie vor mit exzessiver Gewalt gegen Zivilpersonen vor.

Im März 2014 trieben Sicherheitskräfte in Guinée Forestière friedlich protestierende Frauen mit Tränengas, Schlagstöcken und Schüssen auseinander. Die Frauen protestierten gegen die Einstellungspolitik eines Unternehmens, das Palmöl und Gummi herstellt.

Im selben Monat wurden Berichten zufolge während einer Demonstration in Diécké vier Menschen, unter ihnen der Student Mathieu Maomy, erschossen. Bis Ende 2014 war noch keine Untersuchung des Falls eingeleitet worden.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen in Hafteinrichtungen waren 2013 und 2014 weit verbreitet und führten in mindestens einem Fall zum Tod eines Menschen in Gewahrsam. Die Sicherheitskräfte wendeten nach wie vor Folter an, ohne strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Der UN-Ausschuss gegen Folter empfahl in seinen Schlussbemerkungen, dass Guinea sämtliche Folter- und Misshandlungsvorwürfe von einer unabhängigen, neutralen Instanz gründlich und unverzüglich untersuchen lassen solle. Darüber hinaus empfahl der Ausschuss Guinea nachdrücklich, die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung zu beenden. Das UNHCRH dokumentierte Fälle von Folter in den Regionen Haute Guinée und Guinée Forestière. Es forderte die Regierung nachdrücklich auf, Folter per Gesetz zu verbieten und Vorwürfe über Folter in Hafteinrichtungen strafrechtlich zu untersuchen.

Todesfälle in Gewahrsam

Tafsir Sylla erlag im Februar 2014 in einem Krankenhaus seinen Verletzungen, die ihm Polizisten durch Schläge zugefügt hatten, als er sich in Fria seiner Festnahme widersetzte. Er war mit drei weiteren Männern wegen des Konsums von indischem Hanf festgenommen worden. Am Tag nach seinem Tod protestierten Hunderte Menschen und griffen die Polizeiwache, das Rathaus und das Gefängnis in Fria an. Dabei gelang mindestens 20 Häftlingen die Flucht.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Pressefreiheit war nach wie vor eingeschränkt, und die Sicherheitskräfte nahmen Journalisten ins Visier.

Im September beschlagnahmte die Polizei in Guinée Forestière die Kameras von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die über die Tötung von acht Männern recherchierten. Die Männer waren während einer Aufklärungskampagne über Ebola von der ansässigen Bevölkerung getötet worden. Die Kameras wurden am nächsten Tag wieder ausgehändigt, allerdings war das gesamte Bildmaterial gelöscht worden.

Straflosigkeit

Die Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Massaker im Stadion Grand Stade de Conakry am 28. September 2009 wurden fortgesetzt. Sicherheitskräfte hatten damals über 100 friedliche Demonstrierende getötet und mindestens 1500 weitere Frauen und Männer verletzt. Zahlreiche Frauen waren vergewaltigt worden, andere fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Der damalige Chef der Militärjunta, Moussa Dadis Camara, wurde im Juli 2014 in Burkina Faso, wo er sich seit einem Attentat auf ihn befand, verhört.

Bei den Bemühungen, Gendarmen und Polizisten vor Gericht zu bringen, denen die Folterung von Häftlingen in den Jahren 2011 und 2012 zur Last gelegt wird, gab es keine Fortschritte. Im Zeitraum von 2011 bis Ende 2014 wurden in Conakry und Fria lediglich sieben Angehörige der Sicherheitskräfte von einem Untersuchungsrichter vorgeladen. Obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind, erschien keiner der Vorgeladenen zur Anhörung.

Internationale Rechtsprechung

Seit 2009 stand Guinea wegen der Verbrechen, die am 28. September 2009 im Stadion von Conakry und nach dem Massaker begangen worden waren, im Fokus von Vorermittlungen der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Die Anklagebehörde des IStGH gelangte zu dem Schluss, es lägen hinreichende Gründe dafür vor, dass es sich dabei um Verbrechen gegen die Menschlichkeit – u.a. um Mord, Folter, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt, Verfolgung und Verschwindenlassen – gehandelt habe.

Im Februar 2014 kam eine Delegation der Anklagebehörde des IStGH nach Guinea und stellte fest, dass bei den Ermittlungen gewisse Fortschritte zu verzeichnen seien, diese aber nicht ausreichten. Im Juli 2014 legte der damalige Verteidigungsminister Sékouba Konaté der Anklagebehörde des IStGH eine Liste mit den Namen von Verdächtigen vor.

Recht auf Gesundheit – Ebola-Epidemie

Berichten zufolge trug die zögerliche Reaktion der Regierung und der internationalen Gemeinschaft zu der rasanten Ausbreitung der Ebola-Epidemie bei. Zwar wurden schließlich Krisenstäbe für die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen und der Kommunikation gebildet, es fehlte jedoch weiter an vielen wichtigen Ressourcen.

Im September 2014 wurden bei einer Aufklärungsmaßnahme durch Mitarbeiter von humanitären Hilfsorganisationen in Womey (Region N'Zérékoré) acht Mitglieder der Delegation von Dorfbewohnern getötet. Unter den Getöteten war medizinisches Personal, ein Journalist und Mitarbeiter des örtlichen Radiosenders.

Die Dorfbewohner glaubten, dass die Delegationsmitglieder Träger des Virus seien. Bei einem weiteren Vorfall, der sich ebenfalls im September ereignete, hatten zwei Mitarbeiter des Roten Kreuzes von Guinea in der Kleinstadt Forécariah eine tote Frau in einem Leichensack abtransportieren wollen. Als ihnen die Leiche aus dem Sack fiel, bewarfen Einwohner ihr Fahrzeug mit Steinen. Die Mitarbeiter des Roten Kreuzes mussten daraufhin aus der Stadt flüchten.

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