Amnesty Report Bahrain 22. Mai 2013

Bahrain 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Königreich Bahrain Staatsoberhaupt:
 König Hamad bin 'Issa Al Khalifa Regierungschef:
 Scheich Khalifa bin Salman Al Khalifa

Die Behörden gingen weiterhin mit großer Härte gegen Protestaktionen und Kritik an der Regierung vor. Auf der Grundlage von Empfehlungen, die eine Kommission im Rahmen einer 2011 durchgeführten größeren Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen abgegeben hatte, leitete die Regierung 2012 einige Reformen ein. Sie unterließ es jedoch, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und kam damit der wichtigsten Empfehlung der Kommission nicht nach. Zahlreiche Personen saßen noch immer im Gefängnis oder wurden inhaftiert, weil sie Kritik an der Regierung geübt hatten. Darunter befanden sich viele gewaltlose politische Gefangene sowie Menschen, die nach unfairen Gerichtsverfahren verurteilt worden waren. Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten wurden schikaniert und inhaftiert. Die Sicherheitskräfte gingen nach wie vor mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vor – zum Teil mit Todesfolge.

Häftlinge wurden Berichten zufolge von der Polizei gefoltert und anderweitig misshandelt. Nur gegen einige wenige Angehörige der Sicherheitskräfte erging aufgrund der im Jahr 2011 begangenen Menschenrechtsverletzungen Anklage. Nach wie vor herrschte ein Klima der Straflosigkeit. Ein Todesurteil wurde verhängt, es gab jedoch keine Hinrichtungen.

Hintergrund

2012 kam es zu weiteren Protesten gegen die Regierung. Die Demonstrierenden waren überwiegend Schiiten. Sie stellen die Mehrheit der Bevölkerung und fühlen sich von der herrschenden sunnitischen Minderheit politisch diskriminiert. Es gab Berichte über Protestierende, die Molotow-Cocktails warfen und Straßen blockierten. Die Sicherheitskräfte gingen bei der Auflösung einiger Protestaktionen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Demonstrierenden vor. Der politische Dialog zwischen der Regierung und der Opposition machte kaum Fortschritte.

Im November berichtete die Regierung, dass "zwei Asiaten" bei Bombenexplosionen in der Hauptstadt Manama ums Leben gekommen seien. Ein dritter sei verletzt worden. Einige Tage später entzogen die Behörden 31 Personen die bahrainische Staatsbürgerschaft, weil sie angeblich die Staatssicherheit gefährdet hatten.

Die Regierung setzte eine Reihe von Reformen in Kraft, die von der Unabhängigen Untersuchungskommission Bahrains (Bahrain Independent Commission of Inquiry – BICI) 2011 empfohlen worden waren. Entlassungen von Beschäftigten wurden zurückgenommen und ein Prozess zur Reformierung der Polizei in Gang gebracht. Im Oktober 2012 änderte die Regierung einige Artikel des Strafgesetzbuchs und nahm eine neue Definition von Folter darin auf. Viele der wichtigsten Empfehlungen der Kommission blieben jedoch unberücksichtigt. Der König von Bahrain hatte die BICI im Jahr 2011 eingesetzt. Die Kommission sollte Menschenrechtsverletzungen untersuchen, die von Regierungskräften bei der Niederschlagung der Massenproteste in den ersten Monaten des Jahres 2011 begangen worden waren. Vor allem versäumte es die Regierung, alle gewaltlosen politischen Gefangenen aus der Haft zu entlassen, Foltervorwürfen von Gefangenen mittels unabhängiger Untersuchungen nachzugehen sowie all jene zur Verantwortung zu ziehen, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten. Trotzdem akzeptierte die Regierung über 140 der im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat unterbreiteten Empfehlungen, darunter auch die Verpflichtung, die Empfehlungen der BICI umzusetzen. Andere Empfehlungen, wie beispielsweise die Abschaffung der Todesstrafe, wurden allerdings zurückgewiesen.

Im März 2012 verschärfte die Regierung die Visa-Bestimmungen für ausländische NGOs und verbot im Oktober alle öffentlichen Kundgebungen und Zusammenkünfte. Dieses Verbot wurde im Dezember wieder aufgehoben. Im November hob das Ministerium für soziale Entwicklung das Ergebnis der Vorstandswahl der Anwaltskammer von Bahrain auf und setzte erneut den vorherigen Vorstand ein.

Straflosigkeit

Die geringe Zahl von Anklagen gegen Angehörige der Polizei und der Sicherheitskräfte verglichen mit dem Ausmaß und der Schwere der im Jahr 2011 begangenen Menschenrechtsverletzungen unterstrich das anhaltende Klima der Straflosigkeit. Die Behörden ordneten keine unabhängigen Untersuchungen von Foltervorwürfen an. Nur einigen wenigen Sicherheitskräften niedrigerer Dienstgrade und zwei hochrangigen Beamten wurde der Prozess gemacht. Ihnen wurde zur Last gelegt, 2011 Protestierende getötet oder gefoltert sowie Gefangene während ihrer Haft auf andere Weise misshandelt zu haben. Drei Angeklagte wurden schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, mindestens einer von ihnen blieb aber für die Dauer seines Berufungsverfahrens auf freiem Fuß. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

  • Im September 2012 sprach ein Gericht zwei Angehörige der Sicherheitskräfte vom Vorwurf frei, am 17. Februar 2011 auf dem Perlenplatz in Manama zwei Demonstrierende getötet zu haben. Die Aussagen der Sicherheitsbeamten waren Berichten zufolge die einzigen Beweismittel, die dem Gericht vorgelegt worden waren. Die Angeklagten waren den Verhandlungen ferngeblieben. Die Staatsanwaltschaft legte im Oktober Berufung gegen das Urteil ein.

Exzessive Gewaltanwendung

Die Sicherheitskräfte gingen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Protestierende vor. Sie setzten Gummigeschosse und Tränengas ein, manchmal sogar in geschlossenen Räumen. Berichten zufolge starben vier Menschen – darunter zwei Kinder –, nachdem sie mit scharfer Munition beschossen oder von Tränengasgranaten getroffen worden waren. Mindestens 20 weitere Menschen verloren dem Vernehmen nach durch Tränengas ihr Leben. Im September teilten die Behörden mit, dass insgesamt 1500 Angehörige der Sicherheitskräfte seit Jahresanfang bei den Protesten verletzt worden seien. Zwei Polizeibeamte kamen in der zweiten Jahreshälfte ums Leben.

  • Hussam al-Haddad starb am 17. August 2012, nachdem die Bereitschaftspolizei in al-Muharraq auf den 16-Jährigen geschossen hatte. Die Ermittlungen der Sonderuntersuchungseinheit kamen zu dem Schluss, dass die Schüsse auf den Demonstrierenden gerechtfertigt gewesen seien, um "unmittelbar drohende Gewalt abzuwenden".

  • Der 16-jährige Ali Hussein Neama kam am 28. September 2012 zu Tode, als ihm Angehörige der Bereitschaftspolizei im Dorf Sadad in den Rücken schossen. Seine Familie berichtete, dass die Polizei sie bedroht und daran gehindert habe, sich dem auf dem Boden liegenden Verletzten zu nähern. Eine Untersuchungskommission der Sonderuntersuchungseinheit wiegelte den Vorfall ab und bezeichnete ihn als einen "Akt der Selbstverteidigung" des beteiligten Sicherheitsbeamten.

Folter und andere Misshandlungen

Die Regierung leitete Schritte zur Verbesserung des Verhaltens von Polizeibeamten ein. So traten neue Bestimmungen in Kraft, die u.a. einen Verhaltenskodex und Schulungen zum Thema Menschenrechte beinhalteten. Trotzdem nahm die Polizei auch weiterhin Personen ohne Haftbefehle fest und inhaftierte sie tage- oder wochenlang ohne Kontakt zur Außenwelt oder Zugang zu einem Rechtsbeistand. Gefangene sollen zudem gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden sein, u.a. mit Schlägen, Tritten, Beschimpfungen und der Androhung von Vergewaltigung.

  • Hussein Abdullah Ali Mahmood al-Ali wurde am 26. Juli 2012 im Dorf Salmabad ohne Haftbefehl festgenommen. Er wurde dem Vernehmen nach geschlagen und an einen unbekannten Ort gebracht. Er gab an, während seiner Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert worden zu sein. Dann musste er ein "Geständnis" unterschreiben. Drei Wochen lang wusste seine Familie nicht, wo er sich aufhielt. Auch Monate nach seiner Inhaftierung kannten weder seine Familie noch seine Rechtsbeistände den genauen Ort seiner Haft. Er sagte, man habe ihm Elektroschocks verabreicht und ihm mit Vergewaltigung gedroht.

Zahlreiche Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren, die während oder nach Protestaktionen festgenommen worden waren, wurden in Gefängnissen oder Haftanstalten für Erwachsene festgehalten. Gegen viele von ihnen erging Anklage wegen "illegaler Versammlung" oder Randalierens. In den ersten Stunden nach ihrer Festnahme wurden einige der Kinder geschlagen und dem Vernehmen nach gezwungen, "Geständnisse" zu unterschreiben. Der Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen blieb ihnen versagt. Einige der Kinder erhielten Freiheitsstrafen.

  • Der 16-jährige Salman Amir Abdullah al-Aradi wurde zunächst im Februar 2012, dann erneut im Mai festgenommen. Sicherheitskräfte brachten ihn zur Polizeiwache in Al-Hidd, wo er geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht worden sein soll. Er sollte in Abwesenheit seiner Familie und seines Rechtsbeistands ein "Geständnis" unterschreiben. Danach erging Anklage gegen ihn wegen "illegaler Versammlung" und anderer Vergehen. Er wurde schuldig gesprochen und erhielt im Juli eine einjährige Freiheitsstrafe. Ein Berufungsgericht bestätigte das Urteil.

  • Die 17-jährige Mariam Hassan Abdali al-Khazaz sagte aus, die Polizei habe sie nach ihrer Festnahme nach einer Protestaktion in Manama am 21. September 2012 geschlagen und getreten. Sie musste ein "Geständnis" unterzeichnen, obwohl weder ihre Familie noch ein Rechtsanwalt zugegen waren. Danach wurde sie wegen Teilnahme an einer illegalen Versammlung sowie Angriffs auf einen Polizeibeamten und weiterer Vergehen angeklagt. Am 17. Oktober kam sie auf Kaution frei. Zum Ende des Berichtsjahres wartete sie noch auf ihren Prozess.

Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten

Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten wurden schikaniert, festgenommen, von den Behörden verurteilt und in den staatlichen Medien verunglimpft.

  • Nabeel Rajab, der Präsident des Menschenrechtszentrums von Bahrain (Bahrain Center for Human Rights – BCHR) geriet 2012 besonders ins Visier der Sicherheitskräfte. Er wurde mehrfach festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Im Mai wurde er wegen "Verunglimpfung einer nationalen Einrichtung" angeklagt, nachdem er auf Twitter Kommentare über das Innenministerium veröffentlicht hatte. Am 9. Juli verurteilte ihn ein Gericht wegen seiner Kritik am Ministerpräsidenten zu drei Monaten Haft. Am 16. August wurde er für schuldig befunden, an "illegalen Versammlungen" teilgenommen sowie die "öffentliche Ordnung gestört" zu haben und er erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Im Dezember reduzierten die Behörden das Strafmaß auf zwei Jahre. Er gilt als gewaltloser politischer Gefangener.

  • Zainab al-Khawaja saß von April 2012 an sechs Wochen lang in Haft, weil sie mit einem Sitzstreik gegen die Inhaftierung ihres Vaters und gegen weitere Menschenrechtsverletzungen demonstriert hatte. Im August wurde sie erneut festgenommen und zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie ein Bild des Königs zerrissen hatte. Im Oktober kam sie auf Kaution aus der Haft frei, wurde jedoch im Dezember erneut festgenommen und zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Es waren noch weitere Anklagen gegen sie anhängig. Ende 2012 wurde Zainab al-Khawaja aus der Haft entlassen.

Im August 2012 forderten mehrere UN-Sonderberichterstatter gemeinsam die Regierung Bahrains auf, die Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger zu beenden.

Gewaltlose politische Gefangene

Gewaltlose politische Gefangene, darunter auch diejenigen, die im Zusammenhang mit den Massenkundgebungen im Jahr 2011 verurteilt worden waren, saßen 2012 noch immer in Haft. Sie waren offenbar wegen ihrer regierungskritischen Ansichten ins Visier der Behörden geraten.

  • Ebrahim Sharif, 'Adulhadi al-Khawaja und elf weitere führende Regierungskritiker verbüßten weiterhin Gefängnisstrafen von fünf Jahren bis lebenslänglich. Ihre Verurteilungen und Strafen wurden im September bestätigt. Sie waren für schuldig befunden worden, terroristische Gruppierungen mit dem Ziel des Regierungssturzes und der Änderung der Verfassung gebildet zu haben.

Außerdem wurden ihnen weitere Vergehen zur Last gelegt. Die Angeklagten hatten alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Die Anwendung oder Befürwortung von Gewalt konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.

  • Das Urteil gegen den ehemaligen Präsidenten der bahrainischen Lehrergewerkschaft, Mahdi 'Issa Mahdi Abu Dheeb, wurde im Oktober vom Hohen Berufungsstrafgericht bestätigt. Die Freiheitsstrafe wurde allerdings von zehn auf fünf Jahre herabgesetzt. Im September 2011 hatte ihn ein Militärgericht in einem unfairen Verfahren für schuldig befunden, zu einem Lehrerstreik aufgerufen, Hass geschürt und den Versuch unternommen zu haben, die Regierung gewaltsam zu stürzen. Beweise für diese Vorwürfe gab es nicht. Der Gefangene sagte aus, er sei im Jahr 2011 nach seiner Festnahme gefoltert worden und habe während seiner Untersuchungshaft keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt.

  • 'Ali 'Esa Mansoor al-'Ekri und Ghassan Ahmed 'Ali Dhaif wurden zusammen mit sechs Beschäftigten im Gesundheitswesen im Oktober festgenommen. Am Tag zuvor hatte das Kassationsgericht ihre Urteile bestätigt und die im Juni gegen die Angeklagten verhängten reduzierten Gefängnisstrafen zwischen einem Monat und fünf Jahren bestätigt. Ursprünglich waren die Angeklagten im September 2011 nach einem unfairen Gerichtsverfahren zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und 15 Jahren verurteilt worden. Das Berufungsgericht hob die Haftstrafen für einige weitere Personen auf. Zwei der sechs Verurteilten wurden inzwischen freigelassen, weil sie ihre Strafen abgesessen hatten. Die anderen vier Gefangenen befanden sich Ende 2012 noch immer im Gefängnis von al-Jaw.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Am 30. Oktober 2012 verhängte der Innenminister ein Verbot für alle Kundgebungen und Zusammenkünfte mit der Begründung, derartige Veranstaltungen würden den Menschen Gelegenheit zu Kritik an der Regierung geben und zu Ausschreitungen, Gewalt und Zerstörung von Eigentum führen. Der Minister sagte weiter, das Verbot bleibe so lange in Kraft, bis die "Sicherheit wiederhergestellt" sei. Er kündigte an, dass jeder Verstoß gegen das Verbot strafrechtlich verfolgt würde. Im Dezember wurde das Verbot wieder aufgehoben. Der Innenminister kündigte eine Vorlage zur Änderung des Gesetzes zu öffentlichen Versammlungen, Prozessionen und Zusammenkünften an. Dieses Gesetz schränkt das Recht auf Versammlungsfreiheit ein.

  • Der Menschenrechtsverteidiger Sayed Yousif Almuhafda wurde am 2. November 2012 wegen seiner Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung festgenommen, bei der er das Verhalten der Polizeikräfte gegenüber Protestierenden dokumentieren sollte. Eine Woche nach seiner Festnahme kam er wieder frei. Die Anklage wegen Teilnahme an einer illegalen Versammlung wurde fallen gelassen. Im Dezember nahm man ihn allerdings erneut in Haft und stellte ihn wegen "Verbreitung von Falschmeldungen" unter Anklage.

Todesstrafe

Im März 2012 erging Berichten zufolge ein Todesurteil, das vom Appellationsgericht im November bestätigt wurde. Es gab keine Hinrichtungen. Zwei Todesurteile, die 2011 von einem Militärgericht verhängt worden waren, wurden vom Kassationsgericht aufgehoben. Ein Zivilgericht rollte das Verfahren gegen die beiden Angeklagten neu auf.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Amnesty International sagte einen für März geplanten Besuch in Bahrain ab, da die Regierung neue verschärfte Visa-Bedingungen für internationale NGOs erlassen hatte.
 Im August und September reisten Prozessbeobachter im Auftrag von Amnesty International nach Bahrain.

Flawed reforms: Bahrain fails to achieve justice for protesters Bahrain: Reform shelved, repression unleashed

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