Amnesty Report Ecuador 07. Mai 2012

Ecuador 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Ecuador Staats- und Regierungschef: Rafael Vicente Correa Delgado Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 14,7 Mio. Lebenserwartung: 75,6 Jahre Kindersterblichkeit: 24,2 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 84,2%

Gemeindesprecher und Angehörige indigener Gemeinschaften waren im Jahr 2011 mit fragwürdigen Strafanzeigen konfrontiert. Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen gingen weiter straffrei aus.

Hintergrund

Im Juli 2011 wurden sechs Polizeibeamte wegen Gefährdung der Staatssicherheit für schuldig befunden. Hintergrund waren Polizeiproteste gegen Lohnkürzungen im September 2010. Im Mai 2011 gewann Präsident Rafael Correa mit knapper Mehrheit eine Volksbefragung. Sie umfasste zehn Punkte, darunter auch Vorschläge für eine Justizreform und die Regulierung der Medien.

Im Februar verurteilte ein ecuadorianisches Gericht das Erdölunternehmen Chevron wegen der großflächigen Verunreinigung des Amazonasbeckens zu einer Geldstrafe von 18 Mrd. US-Dollar. Ein von Chevron eingelegtes Rechtsmittel war zum Jahresende noch anhängig.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

  • Im Juli 2011 musste sich Ecuador vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verantworten. Das Land war angeklagt, das Recht der indigenen Bevölkerungsgruppe auf vorherige Befragung und eine freiwillige, vorherige und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung verletzt zu haben, als sie 1996 Konzessionen für die Erdölförderung auf dem Gebiet der Kichwa in Sarayaku erteilte. Eine Entscheidung des Gerichts stand zum Jahresende noch aus.

  • Im Oktober ermächtigte die Regierung die Streitkräfte per Erlass, in der Stadt Chone (Provinz Manabí) zu intervenieren. Angehörige indigener Gemeinschaften protestierten dort gegen den Bau eines Staudamms, der eine Zwangsräumung für 1700 Familien mit sich bringen könnte. Am folgenden Tag drangen Hunderte von Sicherheitskräften in das Gebiet ein und zerstörten Ackerland mit Traktoren. Dabei wurde eine Person verletzt. Die Proteste wurden jedoch fortgesetzt; drei Tage später erlitten vier Personen Verletzungen, als Einsatzkräfte gegen die Protestierenden vorgingen.

Sprecher und Angehörige indigener Gemeinschaften waren nach wie vor mit fragwürdigen Strafanzeigen wegen Sabotage, Terrorismus, Mord und illegalen Straßensperren konfrontiert. Sie bezogen sich auf mutmaßliche Verbrechen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Rohstoffindustrie.

  • Im Februar 2011 wurden drei Sprecher indigener Gemeinschaften in Sucúa in der Provinz Morona Santiago festgenommen. José Acacho, Pedro Mashiant und Fidel Kaniras wurde u.a. Mord, Sabotage und Terrorismus vorgeworfen. Die Anklage stand im Zusammenhang mit Protesten gegen ein nationales Wassergesetz, die im Jahr 2009 stattgefunden hatten und bei denen eine Person getötet und 40 weitere, darunter Polizisten, verletzt worden waren. Die Männer wurden nach sieben Tagen freigelassen, doch waren die Klagen gegen sie trotz fehlender Beweise zum Jahresende 2011 noch anhängig.

  • Im Mai wurden Klagen wegen Sabotage und Terrorismus gegen Carlos Pérez, Federico Guzmán und Efraín Arpi erhoben. Die drei Sprecher lokaler Gemeinschaften hatten an einer Protestaktion gegen den Entwurf für ein staatliches Wassergesetz in der Provinz Azuay teilgenommen. Die Klagen wurden im August fallengelassen, doch wurden neue Klagen wegen illegaler Straßensperren gegen sie erhoben. Carlos Pérez wurde zu acht Tagen Haft verurteilt.

  • Der Präsident des Indigenen- und Kleinbauernverbands Imbabura, Marco Guatemal, und zwei weitere Angehörige einer indigenen Gemeinschaft wurden wegen Terrorismus und Sabotage angeklagt, nachdem sie sich ebenfalls an einer Protestkundgebung gegen die Wassergesetze beteiligt hatten. Die Anklage wurde später aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Im Oktober wurde Marco Guatemal wegen neuer Beschuldigungen festgenommen. Man warf ihm die Errichtung von Straßensperren vor, doch wurde die Anklage im November fallengelassen.

Menschenrechtsverteidiger

Im Juli 2011 starb der Menschenrechtsverteidiger Marlon Lozano Yulán, nachdem zwei Unbekannte von einem Motorrad aus auf ihn geschossen hatten. Marlon Lozano Yulán war Mitglied der Organisation Unión Tierra y Vida, die ländliche Gemeinschaften in Landfragen unterstützt. Er hatte Morddrohungen erhalten. Bis zum Jahresende gab es keine Berichte über Fortschritte bei den Ermittlungen.

Am 25. November wurde die Indigenensprecherin und ehemalige Ministerin Mónica Chuji wegen Verleumdung zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe verurteilt, weil sie in der Presse die Regierung kritisiert hatte. Nach öffentlicher Empörung über dieses Urteil begnadigte die Regierung Mónica Chuji, und der Fall wurde zu den Akten gelegt. Somit hatte die Indigenensprecherin keine Möglichkeit mehr, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Straflosigkeit

In seinem im Mai 2011 veröffentlichten Bericht äußerte sich der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche Hinrichtungen besorgt darüber, dass Tötungen und Verstöße, die von der Polizei, angeheuerten Killern und ländlichen Juntas, aber auch von illegalen bewaffneten Gruppen und vom Militär im Grenzgebiet zu Kolumbien begangen werden, ungeahndet blieben.

  • Im Juli wurden zwölf Angehörige der aufgelösten Nationalpolizei zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens, die wegen der Folterung von Karina, Fabricio und Javier Pico Suárez sowie dem Verschwindenlassen von Georgy Hernán Cedeño im Jahr 2009 unter Anklage standen, zu Haftstrafen zwischen zwei und zehn Monaten verurteilt. Sie wurden unverzüglich freigelassen, da sie ihre Strafen bereits verbüßt hatten.

  • Im Oktober gab der Generalstaatsanwalt bekannt, dass er das Ermittlungsteam austauschen werde, das den Fall der beiden 1988 als Jugendliche "verschwundenen" Brüder Carlos Santiago und Pedro Andrés Restrepo aus Kolumbien untersuchte, da bislang keine Fortschritte zu verzeichnen waren.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Meinungsfreiheit wurde u.a. durch Verleumdungsklagen eingeschränkt. Sie richteten sich gegen Journalisten, die sich kritisch über die Regierung oder über Staatsbedienstete auf lokaler Ebene äußerten.

  • Im Juli 2011 verurteilte ein Gericht drei Direktoren und einen ehemaligen Kolumnisten der Zeitung El Universo zu einer Entschädigungszahlung von 40 Mio. US-Dollar an Präsident Correa sowie zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Verleumdung. Präsident Correa hatte im März Strafanzeige gegen die vier Männer erstattet, nachdem er einen Monat zuvor in einem Artikel als "Diktator" bezeichnet worden war. Außerdem wurde in dem Artikel angedeutet, dass ihm wegen der Unruhen im September 2010, als die Streitkräfte ihn aus einem Krankenhaus in Quito befreiten, eine strafrechtliche Verfolgung drohen könnte. Er hatte sich in die Klinik gerettet auf der Flucht vor Polizeibeamten, die gegen geplante Kürzungen bei Löhnen und Zulagen protestierten. Ende 2011 war vor dem Nationalen Gerichtshof noch ein Rechtsmittel wegen des Urteils gegen die Direktoren und den Kolumnisten anhängig.

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