Amnesty Report Vereinigte Staaten von Amerika 11. Mai 2011

Vereinigte Staaten von Amerika 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Vereinigte Staaten von Amerika Staats- und Regierungschef: Barack H. Obama Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 317,6 Mio. Lebenserwartung: 79,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 7/8 pro 1000 Lebendgeburten

Im Jahr 2010 wurden 46 Menschen hingerichtet. Es trafen weiterhin Berichte über exzessive Gewaltanwendung und unzumutbare Haftbedingungen ein. Da Präsident Barack Obama seine Zusage, das Militärgefängnis auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay binnen eines Jahres schließen zu lassen, nicht einhielt, waren dort nach wie vor zahlreiche Menschen unbefristet inhaftiert. In einigen Fällen fanden Verfahren vor Militärkommissionen statt. Der bislang einzige Gefangene, den man von Guantánamo auf das US-amerikanische Festland verlegt hatte, wurde dort vor ein Zivilgericht gestellt und schuldig gesprochen. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan wurden weiterhin Hunderte von Gefangenen festgehalten. Die US-Behörden blockierten alle Versuche, Verbrechen gegen das Völkerrecht zu ahnden, die im Rahmen des Programms der geheimen Inhaftierung und Überstellung an Inhaftierten begangen wurden.

Internationale Kontrolle

Im November 2010 wurde die Menschenrechtslage in den USA im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat in Genf bewertet. Die US-amerikanische Delegation erklärte, man werde eine "sorgfältige ressortübergreifende Prüfung" der 228 Empfehlungen des Menschenrechtsrats vornehmen, und kündigte eine offizielle Antwort für März 2011 an.

Haftlager in Guantánamo Bay

Am 22. Januar 2010, nach Ablauf der von Präsident Barack Obama zugesicherten einjährigen Frist für die Schließung des Haftlagers Guantánamo, wurden dort noch immer 198 Männer festgehalten, etwa die Hälfte davon jemenitische Staatsangehörige. Ende 2010 waren in Guantánamo noch 174 Männer inhaftiert. Drei von ihnen waren von Militärkommissionen in Prozessen verurteilt worden, die nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprachen.

Am 5. Januar gab das Weiße Haus bekannt, man werde die Überstellung jemenitischer Häftlinge von Guantánamo in den Jemen aussetzen. Die Entscheidung fiel nach einem versuchten Bombenanschlag auf eine Passagiermaschine im Landeanflug auf Detroit. Der mutmaßliche Täter soll Verbindungen zu militanten Kräften im Jemen gehabt haben. Die Überstellungen blieben während des gesamten Berichtsjahrs ausgesetzt.

Die von US-Präsident Barack Obama durch eine Anordnung vom 22. Januar 2009 ins Leben gerufene Guantánamo Review Task Force legte am 22. Januar 2010 den geforderten ressortübergreifenden Abschlussbericht über die Fälle von 240 Guantánamo-Häftlingen vor. Das Gremium gelangte zu dem Schluss, dass 48 Häftlinge weder freigelassen noch in den USA vor Gericht gestellt werden könnten. Weitere 36 Gefangene sollten vor ein Bundesgericht oder eine Militärkommission gestellt werden und 126 sollten "vorbehaltlich angemessener Sicherheitsmaßnahmen" in ihre Heimat oder in Drittländer überstellt werden. Zu den Letztgenannten zählten 29 jemenitische Staatsbürger. Für weitere 30 Jemeniten wurde eine Art Sicherungshaft (conditional detention) empfohlen, bis sich "die Sicherheitslage im Jemen verbessert" habe bzw. bis "ein angemessenes Rehabilitierungsprogramm eingerichtet" sei oder "eine angemessene Aufnahmeoption in einen Drittstaat" vorliege.

Verfahren gegen Guantánamo-Häftlingen

Im April 2010 veröffentlichte das Verteidigungsministerium die Bestimmungen für die Verfahren vor den Militärkommissionen. In dem neuen Handbuch wurde bestätigt, dass sich die derzeitige US-Regierung – ebenso wie die Vorgängerregierung – das Recht vorbehält, Verdächtige selbst nach einem Freispruch durch die Militärkommission weiter unbefristet in Gewahrsam zu halten.

2010 wurden zwei Guantánamo-Häftlinge von einer Militärkommission für schuldig befunden. Damit erhöhte sich die Gesamtzahl der seit 2001 von einem Militärtribunal verurteilten Personen auf fünf. Davon hatten drei ihre Schuld eingeräumt. Im Juli bekannte sich der sudanesische Staatsbürger Ibrahim al-Qosi der Unterstützung des Terrorismus für schuldig und wurde einen Monat später zu 14 Jahren Haft verurteilt. Im Oktober bekannte sich der kanadische Staatsbürger Omar Khadr, der im Juli 2002 im Alter von 15 Jahren in Afghanistan in US-Militärgewahrsam genommen worden war, in fünf Anklagepunkten wegen "Kriegsverbrechen" für schuldig. Die Spruchkammer eines Militärtribunals verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 40 Jahren, doch gemäß einer Absprache zwischen Anklage und Verteidigung muss er davon nur acht Jahre verbüßen. Die kanadischen und die US-amerikanischen Behörden verständigten sich darauf, Omar Khadr ein Jahr in den USA im Gewahrsam zu halten und ihn dann zur Verbüßung der Reststrafe nach Kanada zu überstellen.

Khalid Sheikh Mohammed, Walid bin Attash, Ramzi bin al-Shibh, Ali Abd al-Aziz und Mustafa al Hawsawi, denen eine Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 vorgeworfen wird, waren Ende 2010 noch immer in Guantánamo inhaftiert, obwohl Justizminister Eric Holder im November 2009 angekündigt hatte, sie vor ein Zivilgericht in New York zu stellen. Die fünf Häftlinge waren vor ihrer Verlegung nach Guantánamo bereits bis zu vier Jahre in geheimen CIA-Gefängnissen in Gewahrsam gehalten worden. 2008 war vor einer Militärkommission Anklage gegen sie erhoben worden.

Bis Ende 2010 war kein weiterer Guantánamo-Häftling zur strafrechtlichen Verfolgung vor einem Zivilgericht auf das US-amerikanische Festland überstellt worden. Die bislang einzige Überstellung aus Guantánamo erfolgte 2009 und betraf den tansanischen Staatsangehörigen Ahmed Ghailani. Er wurde im November 2010 von einem US-Bundesgericht in New York schuldig befunden, 1998 an zwei Bombenanschlägen auf US-amerikanische Botschaften in Kenia und Tansania beteiligt gewesen zu sein. Im Vorverfahren hatte der Richter im Mai und im Juli mehrere Anträge der Verteidigung abgelehnt, die Klage gegen Ghailani fallenzulassen, weil er vor seiner Verbringung nach Guantánamo im Jahr 2006 in geheimer CIA-Haft gefoltert bzw. weil ihm während der fünfjährigen Haftzeit im Gewahrsam der CIA und anschließend im Militärgewahrsam das Recht auf ein zügiges Verfahren verweigert worden sei, bevor er schließlich nach New York überstellt wurde. Die Verkündung des Strafmaßes war für Januar 2011 vorgesehen.

US-Haftlager in Afghanistan

Hunderte von Gefangenen wurden 2010 auf dem Gelände des US-Militärstützpunkts Bagram im neu errichteten Haftzentrum Detention Facility in Parwan (DFIP) festgehalten, das seit Ende 2009 das bisherige Gefangenenlager Bagram Theater Internment Facility ersetzt. Im September befanden sich dort etwa 900 Menschen, zumeist afghanische Staatsangehörige, die von den Koalitionsstreitkräften im südlichen und östlichen Teil des Landes in Gewahrsam genommen worden waren. Nach Angaben der US-Behörden war geplant, das DFIP an die afghanischen Behörden "zur Inhaftierung von Strafgefangenen und Verurteilten" zu übergeben. Die "Übergangsmaßnahmen" sollten im Januar 2011 beginnen. Das US-Verteidigungsministerium teilte im Oktober mit, die Länge der Übergangsphase hänge u.a. von den "operativen Rahmenbedingungen" und den Kapazitäten der afghanischen Justiz ab. Entscheidend sei auch, ob die afghanische Regierung umfassend geschult und ausgestattet sei, um ihre Verpflichtungen bezüglich Strafverfolgung und Inhaftierung gemäß nationalem und internationalem Recht zu erfüllen.

In den USA war nach wie vor juristisch umstritten, ob den Häftlingen in Bagram ein Zugang zu den US-amerikanischen Zivilgerichten gewährt werden sollte, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung überprüfen zu lassen. Im Mai hob das Berufungsgericht die Entscheidung eines Bundesbezirksrichters aus dem Jahr 2009 auf, der drei Bagram-Häftlingen, die keine afghanischen Staatsbürger waren und auch nicht in Afghanistan festgenommen worden waren, das Recht zugesprochen hatte, ihre Haft vor Gericht anzufechten. Nachdem das Berufungsgericht im Juli 2010 eine Überprüfung seines eigenen Beschlusses ablehnte, wandten sich die Rechtsanwälte der Gefangenen erneut an das Bundesbezirksgericht. Ende 2010 war das Verfahren noch anhängig.

Im Juni äußerten sich Amnesty International und andere Organisationen in einem Schreiben an den US-Verteidigungsminister besorgt über Vorwürfe, wonach Häftlinge in einer Durchgangsstation des Luftwaffenstützpunkts Bagram Opfer von Folter oder anderen Misshandlungen wurden. In Berichten war von lang andauernder Isolationshaft und Schlafentzug die Rede, auch sollen die Häftlinge extremen Temperaturen ausgesetzt worden sein.

Straflosigkeit

Die unter der Präsidentschaft von George W. Bush begangenen Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht wurden auch 2010 nicht geahndet. Dazu zählten Folter und das "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen des Programms der geheimen Inhaftierung und Überstellung von einem Staat in den anderen, unter Umgehung der vorgeschriebenen juristischen und verwaltungstechnischen Verfahren.

In seinen im November veröffentlichten Memoiren und einem vorab publizierten Interview räumte George W. Bush ein, er habe die "verschärften Verhörtechniken" der CIA, die bei Gefangenen in geheimen Haftzentren zum Einsatz kamen, persönlich genehmigt. Zu diesen Verhörtechniken habe auch waterboarding (simuliertes Ertränken) gehört.

Am 9. November 2010 erklärte das Justizministerium ohne nähere Erläuterungen, dass in Bezug auf die Vernichtung von Videoaufzeichnungen durch CIA-Mitarbeiter im Jahr 2005 keine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet werde. Die Aufnahmen dokumentierten die Vernehmungen der Gefangenen Abu Zubaydah und Abd al-Nashiri an einem geheimen Haftort im Jahr 2002. Die 92 gelöschten Bänder enthielten Beweise für die Anwendung der "verschärften Verhörtechniken" bei den beiden Gefangenen, darunter auch das berüchtigte waterboarding.

Im August 2009 hatte Justizminister Holder angekündigt, zu einigen Aspekten bestimmter Verhörtechniken, die im Rahmen des geheimen Inhaftierungsprogramms gegenüber einigen Gefangenen angewendet worden waren, würden "vorbereitende Ermittlungen" stattfinden. Diese waren Ende 2010 offensichtlich noch nicht abgeschlossen.

Am 8. September 2010 bestätigte das elfköpfige Berufungsgericht für den 9. Bundesbezirk mit knapper Mehrheit die Anwendung des State Secrets Privilege durch die US-Regierung, wonach diese in Gerichtsverfahren den Ausschluss bestimmter Beweismittel verlangen kann, wenn deren Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährden könnte. Das Gericht wies damit eine Klage des in Großbritannien lebenden Binyam Mohamed, des italienischen Staatsbürgers Abou Elkassim Britel, des ägyptischen Staatsbürgers Ahmed Agiza, des jemenitischen Staatsbürgers Muhammad Faraj Ahmed Bashmilah und des in Großbritannien lebenden irakischen Staatsbürgers Bisher al-Rawi ab. Die fünf Männer hatten den Vorwurf erhoben, sie seien im Rahmen des von der CIA ausgeführten geheimen Inhaftierungs- und Überstellungsprogramms Opfer des "Verschwindenlassens" und der Folter bzw. grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch Vertreter von US-Behörden sowie anderer Staaten geworden. Die sechs Richter, die das Mehrheitsvotum abgegeben hatten, verwiesen die Beschwerdeführer auf die Möglichkeit einer "außergerichtlichen Klärung". Ihrer Ansicht nach könnten die US-Regierung oder der Kongress entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Nachdem die Organisation Wikileaks im Oktober Dokumente mit neuen Beweisen veröffentlichte, wurden Forderungen laut, es müsse untersucht werden, was US-amerikanische Bedienstete über die Folterung und Misshandlung von Gefangenen durch irakische Sicherheitskräfte wussten (siehe Länderberichte Afghanistan, Irak und Jemen).

Exzessive Gewaltanwendung

Mindestens 55 Menschen starben 2010 nach Polizeieinsätzen mit Taser-Waffen. Damit stieg die Zahl der seit 2001 durch Elektroschockwaffen getöteten Menschen auf mindestens 450. Die meisten Opfer waren unbewaffnet und stellten zum Zeitpunkt des Angriffs offenbar keine ernste Bedrohung dar. In einigen Situationen wurde sogar wiederholt mit der Taser-Waffe gefeuert. Aufgrund dieser Fälle bestand weiterhin Sorge bezüglich der Sicherheit und des angemessenen Einsatzes dieser Waffen.

Nachdem zwei mexikanische Staatsbürger bei Einsätzen der US-Grenzschutzpolizei zu Tode kamen, wurde die Forderung erhoben, die Vorgehensweisen der Zoll- und Grenzschutzbehörde zu überprüfen.

  • Im Mai 2010 starb der 32-jährige Anastacio Hernández infolge eines akuten Atemstillstands. Berichten zufolge schlugen ihn US-Grenzschutzbeamte mit Stöcken und feuerten mit einer Taser-Waffe, als sie versuchten, ihn nach Mexiko abzuschieben.

  • Im Juni 2010 starb der 15-jährige Sergio Hernández Güereca an einem Kopfschuss durch einen US-Grenzschutzbeamten. Laut einer Pressemeldung des FBI hatte der Beamte das Feuer eröffnet, als er von einer Gruppe Jugendlicher umringt wurde, die Steine nach ihm warfen. Auf Videoaufnahmen war jedoch zu sehen, dass der Junge zurück nach Mexiko rannte, als der Beamte mehrmals über die Grenze hinweg feuerte und ihn aus einiger Entfernung erschoss. Die Ermittlungen der US-Behörden waren Ende 2010 noch nicht abgeschlossen.

Im Juli wurde gegen sechs Polizisten aus New Orleans im Zusammenhang mit einem bewaffneten Polizeieinsatz gegen unbewaffnete Zivilisten Anklage erhoben. Bei dem Einsatz auf der Danziger Bridge in den Tagen nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005 waren ein 17-Jähriger und ein geistig behinderter Mann erschossen worden. Die Anklageerhebung ging auf Ermittlungen des FBI zurück und umfasste u.a. die Punkte Verletzung der Bürgerrechte und Verschwörung zur Vertuschung des Vorfalls.

Haftbedingungen

Es gab 2010 zahlreiche Beschwerden über unmenschliche Bedingungen, denen Gefangene in lang andauernder Isolationshaft in Hochsicherheitsgefängnissen unterworfen waren. Die Beschwerden betrafen auch die sogenannten administrativen Sondermaßnahmen (Special Administrative Measures), durch die u.a. die Kommunikation der Gefangenen unterbunden bzw. rigoros begrenzt wurde.

  • Der Student Syed Fahad Hashmi saß bis zur Eröffnung seines Prozesses über drei Jahre lang in der Bundeshaftanstalt Metropolitan Correctional Center in New York in Isolationshaft. Er verbrachte 23–24 Stunden täglich in einer kleinen Zelle mit nur wenig Tageslicht, hatte keinen Freigang und nur sehr begrenzten Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im April bekannte er sich in einem Punkt der Anklage, der Unterstützung von Al-Qaida, für schuldig. Seine Anwälte hatten sich vergeblich um Hafterleichterung während der Untersuchungshaft bemüht und dabei auf die Auswirkungen auf seine Gesundheit und seine Verteidigungsfähigkeit verwiesen. Im Juni wurde er zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt.

  • Die beiden ehemaligen Mitglieder der radikalen afroamerikanischen Black Panther Party Albert Woodfox und Herman Wallace befanden sich nach wie vor in einem Gefängnis im Bundesstaat Louisiana in Isolationshaft. Die beiden Männer sind dort bereits seit über 35 Jahren in kärglich eingerichteten Einzelzellen inhaftiert und haben keinen Zugang zu Beschäftigungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen. Diese Haftbedingungen waren ihnen ursprünglich auferlegt worden, weil sie an der Ermordung eines Gefängniswärters im Jahr 1972 beteiligt gewesen sein sollen. Eingaben der Gefangenen, in denen sie mangelnde Fairness in dem Mordprozess sowie grausame Haftbedingungen beklagten, waren Ende 2010 noch vor den Bundesgerichten anhängig.

Unfaire Gerichtsverfahren

Im Fall von Gerardo Hernández, einem der fünf Männer, die 2001 in Miami wegen Bildung eines Agentennetzwerks für Kuba verurteilt worden waren, wurde im Juni 2010 erneut Berufung eingelegt. Dies geschah u.a. aufgrund von Hinweisen, die US-Regierung habe Journalisten bestochen, zum Zeitpunkt des Verfahrens Artikel zu veröffentlichen, in denen Vorurteile gegen die Angeklagten verbreitet wurden. Auf diese Weise sei ihr Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren unterminiert worden. Im Oktober übermittelte Amnesty International dem Justizminister einen Bericht, in dem die Organisation ihre Besorgnis im Hinblick auf diesen Fall zum Ausdruck brachte.

Gewalt gegen Frauen

Im Juli 2010 verabschiedete der Kongress ein Gesetz (Tribal Law and Order Act), das den Zugang indigener Frauen zum Justizsystem verbessern soll, wenn sie Opfer einer Vergewaltigung wurden. Das neue Gesetz sieht eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden auf staatlicher, bundesstaatlicher und lokaler Ebene bei der Ermittlung dieser Straftaten vor. Außerdem wurden Schritte eingeleitet, um die Eigenverantwortung der indigenen Behörden und den Einsatz von Ressourcen zur Bekämpfung von Straftaten in den indianischen Gebieten zu stärken. Die Einführung des Gesetzes war eine Reaktion auf einen Bericht, den indigene Organisationen und Amnesty International 2007 veröffentlicht hatten. Darin war das unverhältnismäßig hohe Ausmaß an sexueller Gewalt gegen indigene Frauen und die weit verbreitete Straflosigkeit der Täter aufgezeigt worden.

Recht auf Gesundheit – Müttersterblichkeit

Auch 2010 starben noch immer Hunderte von Frauen an vermeidbaren Komplikationen während einer Schwangerschaft. Der Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung hing häufig von Faktoren wie ethnischer Zugehörigkeit bzw. Herkunftsland, Wohnort und Einkommen der Frauen ab. Die nationalen Behörden und die Regierungen der Bundesstaaten wurden aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um die Müttersterblichkeit zu senken und die Ungleichheiten zu beseitigen.

Im März 2010 wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem mehr als 30 Mio. Menschen ohne Krankenversicherung bis zum Jahr 2014 in das Gesundheitssystem einbezogen werden sollen. Am Ende des Jahres waren vor den Gerichten zahlreiche Klagen gegen das neue Gesetz anhängig.

Kinderrechte

Am 17. Mai 2010 entschied der Oberste Gerichtshof, der lebenslange Freiheitsentzug ohne Möglichkeit der Freilassung auf Bewährung für jugendliche Straftäter, die kein Tötungsdelikt begangen haben, verstoße gegen das verfassungsrechtliche Verbot "grausamer und ungewöhnlicher" Strafen. In ihrer Begründung verwies die Richtermehrheit darauf, dass Jugendliche in keinem anderen Land lebenslang inhaftiert würden, wenn durch sie niemand zu Tode gekommen sei. Außerdem verbiete Artikel 37(a) der UN-Kinderrechtskonvention bei Straftaten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs begangen wurden, die Verhängung der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafen ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung.

Am 14. Oktober forderte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes die USA auf, die Kinderrechtskonvention zu ratifizieren. Die USA und Somalia sind die einzigen Länder, die dies bislang noch nicht getan haben.

Rechte von Migranten

Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen äußerten Kritik an dem weitgefassten Einwanderungsgesetz, das im April im Bundesstaat Arizona verabschiedet wurde. Die Organisationen befürchteten, mit dem neuen Gesetz werde die verstärkte polizeiliche Kontrolle nach Herkunft und äußerlichen Merkmalen (racial profiling) befördert. Nach dem neuen Gesetz muss die Polizei von Arizona alle Menschen, die nicht sofort ihren Aufenthaltsstatus nachweisen können, an die Einwanderungsbehörden überstellen. Nach einer Klageerhebung vor einem Bundesgericht wurden zentrale Bestimmungen des Gesetzes zunächst wieder ausgesetzt.

Zahlreiche Migranten aus Mexiko und Zentralamerika starben 2010 bei dem Versuch, durch die Wüstenregionen im Süden der USA illegal einzureisen, aufgrund von Hitze, Kälte und Erschöpfung.

Todesstrafe

Im Jahr 2010 wurden in den USA 46 Gefangene hingerichtet, darunter eine Frau. 44 von ihnen wurde eine Giftspritze verabreicht, ein Verurteilter starb auf dem elektrischen Stuhl, ein weiterer wurde von einem Hinrichtungskommando erschossen. Damit stieg die Gesamtzahl der seit Aufhebung des Moratoriums durch den Obersten Gerichtshof im Jahr 1976 vollstreckten Hinrichtungen auf 1234.

  • Am 15. Juni wurde David Powell für einen mehr als 30 Jahre zurückliegenden Mord an einem Polizeibeamten hingerichtet, obwohl alles dafür sprach, dass er keine weiteren Gewalttaten mehr begehen und für die Gesellschaft keine Bedrohung mehr darstellen würde. Powell hatte mehr als die Hälfte seines Lebens im Todestrakt verbracht.

  • Am 9. September wurde in Alabama der geistig behinderte Holly Wood hingerichtet. Sein unerfahrener Verteidiger hatte dem Gericht keine Beweise für die Behinderung seines Mandanten vorgelegt.

  • Am 27. September wurde Brandon Rhode in Georgia hingerichtet. Er hatte sich sechs Tage zuvor mit einer Rasierklinge schwere Schnittverletzungen an Hals und Armen zugefügt. Nach seiner Wiederbelebung im Krankenhaus wurde er mit der Giftspritze für ein Verbrechen hingerichtet, das er im Alter von 18 Jahren begangen hatte.

  • Am 26. Oktober wurde Jeffrey Landrigan in Arizona hingerichtet, obwohl sich im Laufe der Jahre 13 Bundesrichter dafür ausgesprochen hatten, ihm eine Anhörung zuzugestehen, um den Vorwurf zu prüfen, er sei bei seinem Prozess im Jahr 1990 ungenügend vertreten worden. Die Hinrichtung war zunächst aufgeschoben worden, weil sich die Behörden geweigert hatten, genaue Angaben über die Herkunft des Injektionsgifts zu machen, das aufgrund eines Versorgungsengpasses aus Übersee importiert worden war. Nachdem der Oberste Gerichtshof mit einer Stimmenmehrheit von 5:4 den Hinrichtungsaufschub aufgehoben hatte, wurde das Urteil vollstreckt.

Vier Männer und eine Frau wurden 2010 kurz vor der Hinrichtung begnadigt. Im Oktober wurde in Texas Anthony Graves 16 Jahre nach seiner Verurteilung aus dem Todestrakt entlassen. Ein Bundesgericht hatte 2006 ein neues Verfahren angeordnet. Doch im Oktober wurde die Anklage fallengelassen, weil die Staatsanwaltschaft keine hinreichenden Beweise für seine Verwicklung in die 1992 verübten Morde fand. Mit Graves stieg die Zahl der Menschen, die seit 1973 den Todestrakt als Unschuldige verlassen konnten, auf 138.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International besuchten die USA im Oktober und November und nahmen als Beobachter an Prozessen vor den Militärkommissionen und am Verfahren gegen Omar Khadr teil.

USA: Still failing human rights in the name of global "war" (AMR 51/006/2010)

Deadly delivery: The maternal health care crisis in the USA (AMR 51/007/2010)

USA: Submission to the UN Universal Periodic Review, November 2010 (AMR 51/027/2010)

USA: Model criminal justice? Death by prosecutorial misconduct and a "stacked" jury (AMR 51/030/2010)

USA: Double standards or international standards? Crucial decision on 9/11 trial forum "weeks" away (AMR 51/034/2010)

USA: Normalizing delay, perpetuating injustice, undermining the "rules of the road" (AMR 51/053/2010)

USA: Secrecy blocks accountability, again – federal court dismisses "rendition" lawsuit; points to avenues for non-judicial remedy (AMR 51/081/2010)

USA: Death penalty, still a part of the "American experiment", still wrong (AMR 51/089/2010)

USA: The case of the Cuban Five (AMR 51/093/2010)

Another door closes on accountability. US Justice Department says no prosecutions for CIA destruction of interrogation tapes (AMR 51/104/2010)

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