Amnesty Report Ecuador 11. Mai 2011

Ecuador 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Ecuador Staats- und Regierungschef: Rafael Vicente Correa Delgado Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 13,8 Mio. Lebenserwartung: 75,4 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 29/22 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 84,2%

Menschenrechtsverteidiger, darunter auch Sprecher indigener Gemeinschaften, wurden mit zweifelhaften Strafanzeigen konfrontiert. Von Sicherheitskräften begangene Menschenrechtsverletzungen blieben unaufgeklärt. In Armut lebende Frauen hatten nach wie vor keinen Zugang zu einer guten und kulturell angemessenen medizinischen Versorgung.

Hintergrund

Es kam zu Massendemonstrationen, von denen viele auf die Initiative von Organisationen indigener Gemeinschaften zurückgingen. Sie protestierten gegen Maßnahmen der Regierung und die Gesetzgebung in den Bereichen natürliche Ressourcen, Land, Bildung und öffentliche Dienstleistungen. Angeprangert wurde zudem das Fehlen transparenter Verfahren zur Gewährleistung der Rechte der indigenen Bevölkerung auf die freie, vorherige und informierte Zustimmung bei Entwicklungsprojekten bzw. Maßnahmen oder Gesetzen, die diese betreffen.

Im Februar 2010 zogen sich Organisationen indigener Gemeinschaften aus Gesprächen mit der Regierung über die Gesetzgebung zu Bergbau, Wasser, Land, Bildung und Umwelt zurück, weil sie der Ansicht waren, dass die Regierung nicht wirklich ernsthaft auf ihre Bedenken einging.

Im September demonstrierten Hunderte von Sicherheitskräften gegen Lohnkürzungen und Einsparungen von Zulagen. Die Regierung betrachtete dies als Putschversuch. Mindestens acht Personen, darunter zwei Polizeibeamte, wurden während des Protests getötet und zahlreiche weitere verletzt, darunter auch der Präsident, der nach dem Einsatz von Tränengas ins Krankenhaus gebracht werden musste. Zum Jahresende wurde gegen mehrere Angehörige der Polizei wegen einer Reihe von Straftaten ermittelt.

Im Juni unterzeichnete Ecuador als erstes Land das Fakultativprotokoll des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger, darunter Sprecher indigener Gemeinschaften, wurden wegen Sabotage und Terrorismus angeklagt, um ihren Protest gegen Maßnahmen der Regierung zu unterdrücken.

  • Im Juni 2010 wurden Ermittlungen gegen drei Vertreter indigener Gemeinschaften eingeleitet. Marlon Santi, Präsident des Verbands der indigenen Bevölkerung von Ecuador (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), Delfin Tenesaca, Vorsitzender des Verbands der Kichwa (Confederación Kichwa del Ecuador), und Marco Guatemal, Präsident des Indigenen- und Kleinbauernverbands Imbabura (Federación Indígena y Campesina de Imbabura), wurden wegen Terrorismus und Sabotage angeklagt. Die Untersuchung erfolgte im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an einer Demonstration in Otavalo, wo sie gegen ihren Ausschluss vom Gipfel der Länder der Bolivianische Allianz für die Völker unseres Amerika (Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América) protestiert hatten, und dauerte zum Jahresende noch an.

  • Im Mai 2010 wurde Klage wegen Sabotage und Terrorismus gegen die Gemeindesprecher Carlos Pérez und Federico Guzmán sowie drei Bewohner von Victoria del Portete in der Provinz Azuay erhoben. Grundlage hierfür war ihre Beteiligung an einer Straßensperre, mit der sie gegen einen Gesetzentwurf zur Wassernutzung protestiert hatten. Die Klagen wurden im August von den Gerichten zurückgewiesen.

Straflosigkeit

Auch weiterhin gab es Meldungen über Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Gruppe der Nationalpolizei zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (Grupo de Apoyo Operacional – GAO). Die Gruppe wurde seit ihrer Gründung im Jahr 1996 mit etwa 20 Fällen von Folter und anderen Misshandlungen sowie möglichen außergerichtlichen Hinrichtungen in Verbindung gebracht.

Im Juli 2010 äußerte der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen Sorge, dass eine große Anzahl mutmaßlicher Tötungen, darunter auch durch die Polizei, aufgrund mangelnder sorgfältiger und unabhängiger Ermittlungen, unzureichender Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen für Opfer und Zeugen sowie Verzögerungen und Korruption im Justizsystem unaufgeklärt blieben.

  • Zum Jahresende befanden sich 14 Angehörige der Polizei wegen Folterung von Fabricio Colón Pico Suárez, Jenny Karina Pico Suárez und Javier Universi Pico Suárez sowie des "Verschwindenlassens" von Georgy Hernán Cedeño im September 2009 in Untersuchungshaft; gegen drei weitere wurde ermittelt.

  • Die Fälle von Yandry Javier Vélez Moreira und Juan Miguel Vélez Cedeño, die im Dezember 2008 gefoltert und anschließend getötet worden waren, und ihrer Schwester Johanna Vélez Moreira, die Berichten zufolge von Angehörigen der GAO bedroht wurde, blieben weiterhin ungeklärt.

Die Wahrheitskommission, die mit der Aufklärung der zwischen 1984 und 2008 begangenen Menschenrechtsverletzungen beauftragt war, legte im Juni 2010 ihren Abschlussbericht vor. Die Kommission dokumentierte 118 Fälle und 456 Opfer von willkürlicher Festnahme, Folter, sexueller Gewalt, "Verschwindenlassen" und Tötungen. Zumeist war die Polizei in diese Fälle verwickelt. Die Regierung verpflichtete sich, die Schuldigen vor Gericht zu bringen und zwölf Sonderstaatsanwälte zur Untersuchung dieser Verbrechen zu berufen. Zum Jahresende wurde über einen Gesetzentwurf zur Gewährleistung des Rechts auf Entschädigungsleistungen für die Opfer dieser Verbrechen diskutiert.

Rechte indigener Volksgruppen

Im September 2010 forderte der UN-Sonderberichterstatter über die Situation der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Angehörigen indigener Bevölkerungsgruppen die Regierung auf, keine Konzessionen für den Abbau natürlicher Ressourcen ohne die vorherige umfassende und rechtmäßige Konsultierung und Beteiligung der betroffenen indigenen Gemeinschaften zu erteilen.

Im April stellte die Interamerikanische Menschenrechtskommission beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Antrag im Fall von Angehörigen der Kichwa in der Gemeinde Sarayaku (Provinz Pastaza). Dabei ging es um die Erdölförderung auf Gemeindeland der Kichwa, die ohne vorherige Konsultierung der Kichwa erfolgt war, sowie um Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Angehörige der Gemeinschaft.

Recht auf Gesundheit

Im Januar 2010 berichtete der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC), dass es in zahlreichen in Armut lebenden Gemeinden noch immer an einer guten und kulturell angemessenen medizinischen Versorgung fehlte, trotz der Bemühungen, den Zugang auszubauen.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Der CRC äußerte zudem seine Besorgnis angesichts des fehlenden Zugangs zu Informationen über sexuelle Aufklärung und Gesundheit und des Verbots von Notfallverhütungsmaßnahmen.

Mütter- und Kindersterblichkeit

Bei der Reduzierung der Müttersterblichkeit wurden nach offiziellen staatlichen Angaben Fortschritte erzielt. Anderen Berichten zufolge konnte Ecuador auch Fortschritte bei der Reduzierung der Kindersterblichkeit erzielen. Statistiken zeigten jedoch auch weiterhin große Unterschiede bei der Kindersterblichkeit in ländlichen und städtischen Gebieten sowie unter Kindern indigener Gemeinschaften.

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