Amnesty Report 11. Mai 2011

Afrika 2011

"Alle wissen, wie mein Sohn zu Tode kam, aber niemand will diesen Fall aufklären. Sie haben das Problem zusammen mit der Leiche vergraben. Die Behörden wollen nicht darüber sprechen."

Die Mutter von Dominique Lopy, der 2007 im Senegal nach Folterungen in Polizeigewahrsam gestorben war, gegenüber Amnesty International im Jahr 2010.

Im Jahr 2010 feierten viele Länder Afrikas den 50. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit, andere bereiteten sich auf das bevorstehende Jubiläum vor. Trotz aller Feierlichkeiten blieben die Hoffnungen und Erwartungen zahlloser Afrikaner weiter unerfüllt, denn ihre Menschenrechte wurden weder respektiert noch geschützt. Was durch die Missachtung der Menschenrechte ausgelöst wird, zeigt sich in der Not, der Unterdrückung und der Gewalt, unter denen die Menschen auf dem gesamten Kontinent leiden: die Bewohner der sogenannten informellen Siedlungen in Port Harcourt, Nigeria, die Häftlinge, die in Angola noch immer im Gefängnis sitzen, obwohl das Gesetz, auf dessen Grundlage sie angeklagt wurden, längst nicht mehr in Kraft ist, die Frauen und Mädchen in Burkina Faso, denen ihre sexuellen und reproduktiven Rechte verweigert werden, und die Millionen Menschen, die weiterhin vor Armut und bewaffneten Konflikten flüchten müssen.

Konflikte

In den vergangenen zehn Jahren konnte eine ganze Reihe langjähriger Bürgerkriege beendet werden, doch noch immer bringen zahlreiche Konflikte Tod und Zerstörung mit sich.

Aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen in der südsudanesischen Region Darfur, die im Verlauf des Jahres 2010 an Intensität zunahmen, verloren Tausende von Menschen ihr Obdach; einige von ihnen flohen in den benachbarten Tschad. Bei manchen Angriffen nahmen bewaffnete Rebellen und Regierungstruppen gezielt Zivilpersonen ins Visier. Nach wie vor waren einige Teile der Region Darfur für humanitäre Hilfsorganisationen und für die gemeinsame Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) und der UN (UNAMID) unzugänglich. Immer wieder wurden in Darfur nach dem Muster, das in den vergangenen Jahren bereits im Tschad zu beobachten war, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und UNAMID-Angehörige entführt. Die im Berichtsjahr unternommenen Anläufe zu Vermittlungsversuchen brachten keine greifbaren Ergebnisse. Auch im Jahr 2010 setzten die sudanesischen Behörden, insbesondere der Geheimdienst (National Intelligence and Security Service – NISS), die repressive Politik in Darfur mit willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen und Inhaftierungen ohne Anklage fort. Die Vorbereitungen für die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des südlichen Landesteils führten erfreulicherweise nicht zu vermehrten Gewalttaten.

Die Beziehungen zwischen dem Tschad und dem Sudan besserten sich, und die Spannungen zwischen den beiden Ländern nahmen ab. Es wurde eine gemeinsame Grenzüberwachung vereinbart, und beide Staaten versprachen, bewaffnete Oppositionsgruppen im jeweils anderen Land nicht zu unterstützen. Die beiden Staatschefs statteten einander einen offiziellen Besuch ab. Obwohl der Tschad Vertragsstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ist, wurde der sudanesische Staatspräsident Omar al-Bashir ungeachtet des gegen ihn ergangenen internationalen Haftbefehls wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nicht festgenommen, als er das Land im Juli besuchte. Auch die kenianischen Behörden nahmen ihn im August bei einem Besuch in Nairobi nicht fest. Der Sudan verweigerte weiterhin die Auslieferung von Personen, gegen die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs vorlagen. Im Juli bekräftigte die AU auf ihrem Gipfeltreffen erneut ihre Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof zur Festsetzung und Überstellung von Präsident al-Bashir. Trotz möglicher gravierender Folgen für die Sicherheit von hunderttausenden Flüchtlingen im Osten des Tschad gab der UN-Sicherheitsrat dem Antrag der tschadischen Regierung auf Abzug der UN-Mission aus dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik (MINURCAT) statt. Die dort lebenden Flüchtlinge waren weiter von Menschenrechtsverletzungen – wie Gewalt gegen Frauen und Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten durch die tschadische Armee und andere bewaffnete Gruppen – bedroht.

Auch 2010 waren weite Teile der Zentralafrikanischen Republik unter der Kontrolle bewaffneter Rebellen, und die Zivilbevölkerung wurde immer wieder zur Zielscheibe der ugandischen Rebellengruppe Widerstandsarmee des Herrn (Lord’s Resistance Army). Zehntausende von Menschen mussten weiter als Binnenflüchtlinge fern von ihren Wohnorten leben, und Gewalt gegen Frauen war auch 2010 ein gravierendes Problem.

In Somalia dauerte der bewaffnete Konflikt zwischen den Einheiten der Föderalen Übergangsregierung (TFG), die von der Friedensmission der AU für Somalia (AMISOM) unterstützt wurden, und islamistischen Gruppen unvermindert an; besonders stark betroffen war die Hauptstadt Mogadischu. Hunderttausende Menschen wurden 2010 aus ihren Wohnorten vertrieben. Aufgrund der prekären Sicherheitslage und der Gefahr für humanitäre Helfer, zur Zielscheibe von Anschlägen durch islamistische Gruppen zu werden, war der Zugang zu humanitären Hilfsleistungen stark eingeschränkt. Die Konfliktparteien ergriffen nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, um die Zahl ziviler Opfer bei den militärischen Auseinandersetzungen möglichst gering zu halten, in einigen Fällen richteten sich ihre Operationen sogar gezielt gegen die Zivilbevölkerung. Alle Konfliktparteien rekrutierten auch Kinder für den Einsatz in ihren bewaffneten Einheiten. Die internationale Gemeinschaft sorgte sich indes mehr um die Probleme mit Piraten vor der somalischen Küste als um das Elend der Zivilbevölkerung. Die Militärhilfe, die die TFG von mehreren Staaten wie z.B. den USA erhielt, war nicht mit geeigneten Auflagen verknüpft und hat deshalb möglicherweise noch zur Verschlechterung der Menschenrechtssituation und der humanitären Lage beigetragen. Die internationale Gemeinschaft drängte zudem nicht nachhaltig darauf, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

Im Zuge des Konflikts im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) waren zahlreiche Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu verzeichnen. In Walikale (Provinz Nordkivu) begingen Mitglieder bewaffneter Gruppen bei Überfällen auf Dörfer innerhalb von vier Tagen über 300 Vergewaltigungen. Weder die Streitkräfte der DR Kongo (Forces Armées de la République Démocratique du Congo – FARDC) noch die nicht weit entfernt stationierten Blauhelme der UN-Friedensmission MONUC griffen ein. Angehörige der FARDC waren für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in diesem Gebiet verantwortlich. Fast niemand wurde für gravierende Menschenrechtsverstöße wie Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe zur Verantwortung gezogen. Die Regierung der DR Kongo weigerte sich nach wie vor, den vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesuchten Bosco Ntaganda auszuliefern. Diesem hochrangigen Armeeoffizier wird vorgeworfen, Kinder für die Armee rekrutiert und in bewaffneten Einheiten eingesetzt zu haben.

Im Oktober veröffentlichten die UN einen Bericht über die gravierenden Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die zwischen 1993 und 2003 in der DR Kongo begangen worden waren. Der Bericht enthält auch zahlreiche Empfehlungen für die Stärkung der Justiz des Landes und für die Bekämpfung der Straflosigkeit, deren Umsetzung politischer Unterstützung bedarf. Dass Länder wie Ruanda und Uganda, die in dem Bericht als Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen genannt werden, den Bericht kritisierten, war ein enttäuschender Hinweis auf die fehlende Bereitschaft, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Vor allem weil der politische Wille fehlte, wurden auch in anderen Ländern nur geringe Fortschritte erzielt in dem Bemühen, die Täter für Verbrechen im Sinne des Völkerrechts zur Verantwortung zu ziehen. In Burundi waren bis Ende 2010 weder die vereinbarte Wahrheits- und Versöhnungskommission noch das geplante Sondergericht zur Aufarbeitung der Kriegsverbrechen eingerichtet worden. In Liberia wurde fast keine Empfehlung der Wahrheits- und Versöhnungskommission umgesetzt, auch nicht die Einrichtung eines Sonderstrafgerichts zur Aufarbeitung der während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen gegen das Völkerrecht. Im Senegal erklärte Präsident Abdoulaye Wade im Dezember, er sei nicht an weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den ehemaligen Präsidenten des Tschad, Hissène Habré, interessiert, obwohl die finanziellen Mittel für ein Gerichtsverfahren anscheinend zur Verfügung standen. Dies stellt eine unverhohlene Missachtung der Verpflichtungen Senegals nach dem Völkerrecht dar und widerspricht auch dem Ersuchen der AU. Ein weiterer Rückschritt war die Entscheidung des kenianischen Parlaments im Dezember, einem Antrag auf Rücktritt vom Römischen Statut stattzugeben, nachdem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs die Namen von sechs kenianischen Staatsbürgern genannt hatte, die er vor Gericht vorladen wolle.

Öffentliche Sicherheit

Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane waren auch 2010 in ganz Afrika zu beklagen. Zu den dokumentierten Verstößen zählten staatliche Morde, Folterungen und andere Misshandlungen sowie exzessive Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte, die oft rechtswidrige Tötungen zur Folge hatte.

Die Lage im Nigerdelta verschärfte sich im Laufe des Jahres weiter. Bewaffnete Gruppen und kriminelle Banden entführten zahlreiche Arbeiter von Erdölgesellschaften samt ihren Angehörigen und griffen mehrere Erdölanlagen an. Die Gegenmaßnahmen der nigerianischen Sicherheitskräfte waren oft mit Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtlichen Hinrichtungen und Folterungen verbunden. Auch in anderen Regionen Nigerias scheuten die Strafverfolgungsorgane bei der Durchsetzung der Gesetze in der Regel nicht vor Menschenrechtsverletzungen wie willkürlichen Festnahmen, Folterungen und anderen Misshandlungen zurück, und es gab viele Fälle von Verschwindenlassen und rechtswidrigen Tötungen, zum Teil in Form staatlicher Morde. Im Bundesstaat Plateau wurden bei Ausbrüchen ethnischer und religiös motivierter Gewalt erneut Hunderte von Menschen getötet und Tausende aus ihren Wohnorten vertrieben.

Gegen Ende des Jahres 2010 wurde aus Burundi eine Reihe von außergerichtlichen Hinrichtungen gemeldet. Unter den Opfern waren Menschen mit Verbindungen zu der Oppositionspartei Nationale Befreiungskräfte (Forces Nationales de Libération). Zwar wurde eine Untersuchungskommission zu den Vorfällen eingerichtet, die aber bis Jahresende keine Ergebnisse vermeldete.

In Südafrika wurden zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlung, u.a. durch Schläge, Elektroschocks, Beinaheersticken und Morddrohungen, durch die Polizei gemeldet. Zu vielen davon führte die Polizeiaufsichtsbehörde eine Untersuchung durch. Auch in Uganda kam es nach den Bombenanschlägen im Juli, bei denen mindestens 76 Menschen den Tod fanden, zu Menschenrechtsverletzungen. Einige verdächtigte Personen wurden festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten; andere wurden rechtswidrig von Kenia nach Uganda verbracht und dort in Haft genommen.

In Mosambik setzte die Polizei bei Protesten gegen die hohen Lebenshaltungskosten im Land scharfe Munition gegen die Demonstrierenden ein und tötete mindestens 14 Menschen. Auch in Guinea schossen die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf friedliche Demonstrierende, und in Kenia forderte ein Polizeieinsatz in einer informellen Siedlung in Nairobi sieben Todesopfer.

In zahlreichen afrikanischen Ländern wie Burkina Faso, Kamerun, Eritrea, Ghana, Mauretanien, Südafrika, Swasiland und der Republik Kongo waren Todesfälle im Gewahrsam der Sicherheitskräfte zu vermelden. Oft waren die Opfer zuvor gefoltert bzw. misshandelt worden. In anderen Ländern wie Angola, Benin, Burundi, Liberia, Malawi, Sierra Leone und Tansania waren die Haftbedingungen in den Gefängnissen nach wie vor unzumutbar hart.

Zwar war in Afrika ein Trend hin zur Abschaffung der Todesstrafe zu verzeichnen, doch wurden in Äquatorialguinea, im Sudan und in Somalia auch im Jahr 2010 Menschen hingerichtet, die in unfairen Verfahren zum Tod verurteilt worden waren. Auch aus Botswana wurde eine Hinrichtung gemeldet. Das zentralafrikanische Gabun schaffte hingegen 2010 die Todesstrafe ab.

Unterdrückung abweichender Meinungen

In mehreren Ländern fanden Wahlen statt, die von Gewalt und einer Zunahme der Menschenrechtsverletzungen begleitet waren; kaum einer der Verantwortlichen für diese Verstöße wurde jedoch zur Rechenschaft gezogen. Im Sudan wurde im Zusammenhang mit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im April 2010 das Recht auf freie Meinungsäußerung massiv unterdrückt. Zahlreiche Medienorgane erhielten Arbeitsverbot, für die Druckmedien wurde die Vorzensur wieder eingeführt, Journalisten wurden verhaftet und einige von ihnen auch gefoltert. Für viele Menschenrechtsverletzungen war der Geheimdienst NISS verantwortlich, seine Mitarbeiter waren durch das neue Gesetz über die nationale Sicherheit, das im Februar in Kraft trat, vor Strafverfolgung geschützt.

Auch in Äthiopien führten die Wahlen im Mai zu einer Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Nach Angabe der Oppositionsparteien wurden u.a. in der Region Oromia vor dem Wahlgang zahlreiche ihrer Mitglieder und Funktionäre schikaniert, mit Schlägen misshandelt und verhaftet.

In Burundi wurden im Rahmen der Untersuchung zu einer Reihe von Granatenanschlägen im Vorfeld der Wahlen mehrere Menschen vom Geheimdienst festgenommen und gefoltert. Obwohl die burundische Regierung öffentlich die Einleitung von Ermittlungen ankündigte, war bis zum Jahresende noch kein Verantwortlicher für seine Taten zur Rechenschafft gezogen worden. Den Oppositionsparteien wurde es zudem vorübergehend verboten, Versammlungen abzuhalten.

In Ruanda wurde vor den Wahlen im August 2010 ebenfalls die Meinungs- und Versammlungsfreiheit drastisch eingeschränkt. Oppositionsparteien wurden an der Aufstellung von Kandidaten gehindert, Regierungsgegner verhaftet und zahlreiche Medieneinrichtungen geschlossen. Viele Journalisten verließen das Land. Vage formulierte Gesetze über "Völkermordideologie" und "Sektierertum" wurden dazu benutzt, die freie Meinungsäußerung nachhaltig zu unterdrücken. Nach der Ermordung eines prominenten Politikers und eines Journalisten sowie mehreren Granatenanschlägen, die zahlreiche Todesopfer forderten, verschärften sich im Vorfeld der Wahlen die Spannungen und das Klima der Unsicherheit.

Auch in Guinea waren vor den Präsidentschaftswahlen verstärkt gewalttätige Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. Die Sicherheitskräfte gingen mit exzessiver Gewalt vor und feuerten wahllos mit scharfer Munition auf Protestierende. Während des Wahlkampfs wurden Dutzende von Menschen willkürlich in Haft genommen; oft durften sie weder Besuch von ihren Angehörigen noch von einem Anwalt erhalten, und sie wurden auch nicht medizinisch versorgt.

In Côte d’Ivoire wurde das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 von dem amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo nicht akzeptiert. Zahlreiche außergerichtliche Hinrichtungen, Fälle von Verschwindenlassen und willkürlichen Festnahmen waren den Gbagbo-loyalen Sicherheitskräften zuzurechnen. Trotz politischen Drucks seitens der UN, der AU und der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) weigerte sich Laurent Gbagbo, sein Amt aufzugeben. Es kam zu einer politischen Pattsituation im Land und zu der Befürchtung, dass die Gewalt zunehmen werde.

Auch in vielen anderen Ländern wurden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf Vereinigungsfreiheit und auf friedliche Versammlung missachtet. Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Mitglieder der Oppositionsparteien mussten nicht nur mit Einschüchterung und mit Schikanen rechnen, sondern auch mit willkürlicher Inhaftierung, Folterung oder Misshandlung oder gar mit ihrer widerrechtlichen Tötung.

Zur willkürlichen Festnahme von Menschenrechtsverteidigern und engagierten Bürgerinnen und Bürgern kam es in Angola, der Zentralafrikanischen Republik, in Gambia und Niger sowie in Simbabwe, wo jedoch der Oberste Gerichtshof im November befand, dass die Festnahme und Inhaftierung von zwei Mitgliedern der Frauenrechtsorganisation Woman of Zimbabwe Arise (WOZA) rechtswidrig erfolgt sei und eine Verletzung ihrer Grundrechte darstelle. Das Gericht stellte weiter fest, dass der Staat seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die beiden Menschenrechtsverteidigerinnen gegen Übergriffe zu schützen. In Burundi erhielten Menschenrechtsverteidiger Drohungen, und in der DR Kongo wurde der prominente Menschenrechtler Floribert Chebeya getötet. In Kenia stockten die Ermittlungen zur Ermordung der beiden Menschenrechtsverteidiger Oscar Kingara und Paul Oulu im Jahr 2009. In Äthiopien trat 2010 das Gesetz über gemeinnützige Organisationen und Verbände in Kraft, das zivilgesellschaftlichen Organisationen umfassende Kontrollen auferlegt und die Menschenrechtsarbeit nachhaltig behindert.

In Angola, Benin, Kamerun, Swaziland und Togo wurden friedliche Demonstrationen verboten bzw. Demonstrierende verhaftet.

Einschüchterungen und willkürliche Festnahmen von Journalisten fanden in Burundi und im Tschad, in Côte d’Ivoire und der DR Kongo, in Äquatorialguinea, Äthiopien, Gambia, Ghana und Madagaskar, in Namibia, Nigeria, Ruanda und Südafrika sowie in Swaziland, Tansania, Togo, Uganda und Simbabwe statt.

In Burundi, Äquatorialguinea, Madagaskar, Niger und Togo wurden politische Gegner der Regierung rechtswidrig bzw. willkürlich festgenommen. In Uganda lösten Polizeibeamte und bewaffnete Männer in Zivil eine Kundgebung der Opposition auf und misshandelten zahlreiche Teilnehmer der Demonstration.

In Eritrea befanden sich viele Journalisten, Religionsführer und engagierte Bürger nach wie vor in Haft, wo sie oft keinen Kontakt zur Außenwelt hatten und von Misshandlungen bedroht waren.

In einigen Ländern, zum Beispiel in Somalia, waren bewaffnete Gruppen wie die al-Shabab-Milizen für Übergriffe gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger und sogar Tötungen verantwortlich. In Somalia führten islamistische Gruppen auch Steinigungen und Zwangsamputationen durch. In mehreren Ländern der Sahel-Zone entführte Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) Menschen und hielt sie als Geiseln; einige der Entführten wurden getötet.

Flüchtlinge und Migranten

Auch im Jahr 2010 wurden Migranten zu Opfern von Diskriminierung und anderen Menschenrechtsverletzungen. Von September bis Ende Dezember schoben die angolanischen Sicherheitskräfte über 12000 Staatsangehörige der DR Kongo in ihr Herkunftsland ab. Im Verlauf der Abschiebung sollen Dutzende von Frauen und auch einige Männer vergewaltigt worden sein. Es wurden auch andere Übergriffe gemeldet, und viele Abgeschobene kamen nackt und ohne Habe in ihrem Land an. In Mauretanien wurden Migranten, die zum Großteil aus anderen westafrikanischen Ländern kamen, willkürlich in Haft genommen, um sie an der Weiterreise nach Europa zu hindern. In verschiedenen Regionen Südafrikas kam es, obwohl die Behörden verstärkt auf Gewaltakte reagierten, erneut zu Übergriffen gegen Flüchtlinge und Migranten. Flüchtlinge aus dem benachbarten Simbabwe erhielten die Möglichkeit, ihren Aufenthaltsstatus in Südafrika zu legalisieren.

In Uganda wurden im Juli etwa 1700 Ruander, deren Asylanträge abgelehnt worden waren, zusammen mit einigen anerkannten Flüchtlingen unter Verstoß gegen das Völkerrecht nach Ruanda abgeschoben. Zehntausende weitere ruandische Flüchtlinge mussten damit rechnen, bis Ende 2011 ihren Flüchtlingsstatus zu verlieren und dann in ihr Herkunftsland rückgeführt zu werden. Grund dafür war zum Teil der Druck der ruandischen Regierung auf die Nachbarstaaten. In Tansania mussten Tausende von Flüchtlingen aus Burundi weiter mit der Zwangsrückführung in ihr Herkunftsland rechnen. Zwei Eritreer, die im Jahr 2008 aus Deutschland nach Eritrea abgeschoben worden waren, erhielten nach der erneuten Flucht nach Deutschland dort Flüchtlingsstatus. Die beiden waren nach ihrer Zwangsrückführung in Eritrea unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten worden. In Eritrea hatten die Sicherheitskräfte weiterhin die Erlaubnis zum gezielten Todesschuss auf jeden, der versucht, die Grenze des Landes zu überqueren.

Auf dem gesamten Kontinent mussten auch im Jahr 2010 Millionen von Menschen wegen bewaffneter Konflikte oder wegen der unsicheren Lage in ihrer Heimat als Flüchtlinge in einer anderen Region oder in einem anderen Land leben. Kenia hielt die Grenze zu Somalia weiter geschlossen und verhinderte damit, dass Menschen, die aus dem Nachbarland fliehen wollten, Hilfe und Schutz fanden.

Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen

In Afrika lebten nach wie vor Millionen von Menschen in Slums und informellen Siedlungen, ohne grundlegende öffentliche Versorgungsleistungen wie sauberes Wasser, Gesundheitsdienste und Schulen. In vielen Ländern ignorierten die Behörden ihr Elend und berücksichtigten diese Bevölkerungsgruppe bei der Entwicklungs- und Finanzplanung in keiner Weise. Häufig war der fehlende Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen auch Anlass zu Übergriffen etwa in Form von sexueller Gewalt, zum Beispiel in den informellen Siedlungen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

In zahlreichen Ländern wie Angola, Ghana, Kenia und Nigeria wurden viele Menschen durch Massenzwangsräumungen noch tiefer ins Elend gestürzt. Im Tschad sowie in Äquatorialguinea, Kenia und Simbabwe waren Tausende weiter von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht. Nach Zwangsräumungen erhielten die Betroffenen oft weder eine Entschädigung noch eine andere Unterkunft und wurden so zu einem armseligen Leben ohne gesicherte Wohnsituation gezwungen.

Gesundheitsversorgung für Mütter

Beim Gesundheitsschutz für Mütter wurden in Afrika Fortschritte erzielt. Burkina Faso kündigte zwar an, alle finanziellen Hindernisse für die Inanspruchnahme ärztlicher Notversorgung während Schwangerschaft und Entbindung zu beseitigen und problemlosen Zugang zur Familienberatung zu ermöglichen, ist dieser Verpflichtung aber bislang noch nicht nachgekommen. In Sierra Leone wurde im April 2010 ein kostenloser Gesundheitsdienst für Schwangere und Kinder unter fünf Jahren eingeführt, doch als immer mehr Frauen die Einrichtungen in Anspruch nehmen wollten, kam es zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Geräten.

In vielen Ländern wird die Müttersterblichkeit auch durch andere Faktoren beeinflusst, die dringend angegangen werden müssen. Dazu zählen die Diskriminierung von Frauen, schädliche traditionelle Praktiken, fehlende Bildungsangebote im Bereich Sexualerziehung und reproduktive Gesundheit sowie mangelnde Rechenschaftsmechanismen.

Im Juli verpflichteten sich die afrikanischen Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen der AU in Kampala zu einer ganzen Reihe von Maßnahmen, mit denen die Müttersterblichkeit verringert werden soll. Dazu gehörte zum Beispiel, 15 % der öffentlichen Mittel im Gesundheitsbereich für eine Kampagne zur Reduzierung der Müttersterblichkeit zu verwenden und die Verantwortlichen für politische und Finanzierungsentscheidungen verstärkt zur Rechenschaft zu ziehen. Die AU-Kommission wurde ersucht, eine Taskforce für die Gesundheit von Müttern und Kindern einzurichten sowie Fortschrittsberichte zu diesem Bereich erstellen zu lassen und zu überprüfen.

Diskriminierung

Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen hatten auch im Berichtsjahr verheerende Auswirkungen auf das Leben vieler Betroffener, beeinträchtigten ihre Chancen und beraubten sie ihrer Rechte. Im Norden des Sudan kam es auf der Grundlage des Systems der öffentlichen Ordnung zur Schikanierung, Verhaftung und Misshandlung von Frauen und Mädchen, deren Kleidung oder Benehmen als "anstößig" oder "unmoralisch" erachtet wurde. In Südafrika gab es im Laufe des Jahres 2010 Zehntausende von polizeilichen Anzeigen wegen sexueller Übergriffe. In Kenia war einer Erhebung zufolge familiäre Gewalt weit verbreitet, darunter auch Vergewaltigung in der Ehe, die in Kenia nicht als Straftat gilt. In Liberia waren bei der Mehrheit aller zur Anzeige gebrachten Vergewaltigungen Mädchen unter 16 Jahren die Opfer. In vielen Ländern hatten Frauen und Mädchen, die sexuelle Übergriffe erlitten, keine Möglichkeit, sich an die Polizei oder die Justiz zu wenden. Sie wurden in ihrem Umfeld geächtet und gedrängt, einer außergerichtlichen Einigung zuzustimmen; außerdem hatten sie hohe ärztliche Kosten zu tragen. Auch der Anteil der Frauen, die an HIV/AIDS erkrankten, war vor allem im südlichen Afrika nach wie vor unverhältnismäßig hoch. In vielen Ländern war die Praxis der Genitalverstümmelung bei Frauen noch immer gang und gäbe, obwohl sie – wie in Tansania – per Gesetz verboten ist.

Auch Diskriminierung wegen der vermeintlichen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung eines Menschen war noch immer weit verbreitet. In Kamerun wurden wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet und Verdächtigte misshandelt. In Malawi wurden zwei homosexuelle Männer wegen "unanständiger Praktiken" und "widernatürlicher strafbarer Handlungen" zu 14 Jahren Haft mit Zwangsarbeit verurteilt, wenige Wochen später aber von Präsident Bingu wa Mutharika begnadigt. Eine ugandische Zeitung veröffentlichte die Namen und Fotos von mutmaßlichen Homosexuellen und entsprechende Texte, die zur Gewalt gegen diese Personen anstachelten. Die Behörden prangerten das Vorgehen der Zeitung nicht öffentlich an, und ein gegen Homosexuelle gerichteter Gesetzentwurf, der drakonische Strafen vorsah, war noch immer im Parlament anhängig.

In Mauretanien wurde die Sklaverei in der Praxis fortgesetzt, obwohl sie seit August 2007 ein Straftatbestand ist. Die Polizei bemühte sich nicht, die gesetzlichen Bestimmungen durchzusetzen, und acht engagierte Gegner der Sklaverei wurden festgenommen und Berichten zufolge misshandelt; man warf ihnen vor, solche Fälle der Polizei zur Kenntnis gebracht zu haben.

In einigen Ländern gab es erneut Übergriffe gegen Menschen, die von Albinismus betroffen sind. In Tansania blieb die Reaktion der Behörden auf solche Vorfälle unzureichend; weder in früheren noch in den aktuellen Fälle wurden gründliche Untersuchungen durchgeführt, und engagierte Bürger, die sich für die Rechte von Menschen mit Albinismus einsetzten, wurden von den Behörden nicht ausreichend geschützt.

Der UN-Sonderberichterstatter über die Situation der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Angehörigen indigener Bevölkerungsgruppen äußerte sich bei seinem Besuch in der Republik Kongo besorgt über anhaltende Diskriminierungen. In Eritrea wurden auch 2010 Menschen aus religiösen Gründen verfolgt und inhaftiert, nur Angehörige registrierter Religionsgemeinschaften durften ihren Glauben praktizieren.

Eine Zeitenwende kündigt sich an

Amnesty International feiert im Jahr 2011 den 50. Jahrestag ihrer Gründung. Seitdem Mitte der 1960er-Jahre die ersten Amnesty-Berichte erschienen, hat sich das Spektrum der darin behandelten Menschenrechtsverletzungen geografisch und thematisch erheblich verbreitert. In den vergangenen fünf Jahrzehnten wurden zahlreiche weitere Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen, die sich zum Teil an der Arbeitsweise von Amnesty International orientierten. In vielen afrikanischen Ländern gibt es heute eine lebhafte Zivilgesellschaft, die zwar oft noch unter Repression leidet, von den Mächtigen aber nicht mehr ignoriert werden kann. Es gibt noch viel zu tun, aber ein Umdenken hat begonnen.

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