Aktuell Malediven 06. September 2012

Malediven: Die andere Seite des Paradieses

Polizisten gingen am 8. Februar 2012 in der maledivischen Hauptstadt Malé gewaltsam gegen Demonstranten vor

Polizisten gingen am 8. Februar 2012 in der maledivischen Hauptstadt Malé gewaltsam gegen Demonstranten vor

06. September 2012 - Ein aktueller Bericht von Amnesty International dokumentiert schwere Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte auf den Malediven. Seit dem Machtwechsel am 7. Februar dieses Jahres sind die Mitglieder der Opposition schlimmen Repressalien ausgesetzt.

Touristen aus aller Welt schätzen die Malediven als Ferienparadies. Doch die Realität im Inselstaat sieht anders aus: immer wieder gibt es Übergriffe der Polizei auf Anhänger des ehemaligen Präsidenten Nasheed. Die Menschenrechte von Sympathisanten der Opposition und von Demonstranten werden systematisch verletzt.

"Die Polizei verhaftet willkürlich Oppositionelle, schlägt und foltert sie, greift sogar Verletzte in Krankenhäusern an. Bisher wurde kein einziger der Verantwortlichen strafrechtlich belangt oder vor Gericht gebracht", berichtet der für die Malediven zuständige Krisenbeauftragte von Amnesty International, Abbas Faiz.

"Wenn weiter schwere Menschenrechtsverletzungen begangen und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird es auf den Malediven keine politische Versöhnung geben."

Der Amnesty-Bericht belegt, wie Polizei und Angehörige des Militärs mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgehen: Unter anderem schlagen sie Personen mit Stöcken auf den Kopf, zielen mit Pfefferspray direkt in die Augen der Demonstranten und treten sie. Staatliche Sicherheitskräfte griffen zudem offenbar gezielt Einzelpersonen wegen ihrer politischen Überzeugung an, darunter Minister, Parlamentarier und Unterstützer der Opposition "Maldivian Democratic Party".

"Ist sie denn immer noch nicht tot?"

Hunderte Menschen wurden verhaftet. Die meisten von ihnen wurden von der Polizei verletzt. Zu den angewendeten Methoden gehörten Prügel, der Entzug von Trinkwasser und das Einsperren der Verhafteten in Hundekäfige. Polizisten spürten auch verletzte Demonstranten in Krankenhäusern auf, um diese erneut zu schlagen.

Die maledivische Parlamentsabgeordnete Mariya Ahmed Didi beschrieb in einem Interview mit Amnesty die brutale Behandlung durch Sicherheitskräfte, nachdem sie im Februar auf einer Kundgebung der Opposition verhaftet worden war:

"Polizisten und Angehörige des Militärs öffneten gewaltsam meine Augenlider. Sie sprühten Pfefferspray direkt in mein Auge, das bereits am Tag zuvor verletzt worden war. Dann wiederholten sie die Prozedur mit dem anderen Auge… Irgendwann, während sie mich schlugen, rief einer: 'Ist sie denn immer noch nicht tot?'".

Amnesty International ruft die verantwortlichen Politiker der Malediven auf, sämtliche Menschenrechtsverletzungen sofort durch eine unabhängige und unparteiische Kommission untersuchen zu lassen und den Opfern Entschädigungen zu zahlen.

Alle Sicherheitskräfte müssen die Weisung erhalten, Demonstranten künftig nicht mehr anzugreifen. Außerdem sollten sie so ausgebildet werden, dass die Einhaltung von Menschenrechtstandards gewährleistet werden kann und Internationales Recht nicht verletzt wird. Zudem muss das Rechtssystem so reformiert werden, dass Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte garantiert sind.

Der Report "The other side of paradise: A human rights crisis in the Maldives" basiert auf Interviews mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen, ihren Angehörigen, Anwälten, Ärzten und Pflegepersonal, Sicherheitskräften und Politikern (unter anderem auch mit dem ehemaligen Präsidenten Mohamed Nasheed und dem aktuellen Präsidenten Mohamed Waheed). Die Befragungen wurden von Amnesty International während einer dreiwöchigen Ermittlungsreise von Mitte Februar bis Anfang März dieses Jahres durchgeführt und befassten sich mit der Gewalt nach dem Machtwechsel am 7. Februar 2012.

Hier finden Sie den englischsprachigen Amnesty-Bericht "The other side of paradise: A human rights crisis in the Maldives".

Weitere Artikel